Die Tote von Schoenbrunn
Frauenmörder von Schönbrunn noch weitere Male zuschlagen wird.“
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Graf Batheny schaffte es, dank seiner guten Beziehungen zum Obersthofmeister des Kaisers, für Gustav eine Erlaubnis zu erwirken, das Schloss zu betreten. Allerdings erst, nachdem die kaiserliche Familie Schönbrunn verlassen hatte. Die hohen Herrschaften waren dieses Jahr wieder bis in den späten Herbst in ihrer Sommerresidenz geblieben.
Zwar sah es anfangs so aus, als dürfte Gustav die Privatgemächer des Kaiserpaares nicht betreten, also auch das Toilettezimmer nicht, in dem der erste Mord stattgefunden hatte, trotzdem schwebte er im siebten Himmel.
Er kannte die barocke Schlossanlage wie die meisten Wiener bisher nur von außen, wusste aber, dass jedes Familienmitglied des Hauses Habsburg einen eigenen Hofstaat und fünf Räume zur persönlichen Verfügung hatte. Insgesamt gab es tausendzweihundert Zimmer im Schloss und tausend Diener. Und einer von diesen, Josef, führte ihn nun durch die heiligen Hallen. Wie sich bald herausstellte, war der gute Mann über alles, was in Schönbrunn vor sich ging, bestens informiert.
Josef führte ihn zuerst in den Spiegelsaal. Die weißen Wände waren mit goldenem Stuck verziert, die Rokokomöbel dazu passend aus weißgoldenem Holz, die Polsterungen waren mit rotem Samt überzogen. Auch die Vorhänge samten und purpurrot. Sieben große Kristallspiegel, die einander reflektierten, ließen den Raum optisch größer erscheinen, als er war. Von der Decke hingen zwei prächtige Kristallluster.
„Das Spiegelzimmer dient dem Kaiserpaar als Empfangssalon“, sagte Josef. „Hier fand auch der legendäre Auftritt von Wolfgang Amadeus Mozart statt. Im zarten Alter von sechs Jahren gab er vor Kaiserin Maria Theresia und dem Hofstaat sein erstes Konzert. Nach dem Klavierspiel sprang das Wunderkind der Kaiserin auf den Schoss und umarmte und küsste sie.“
Gustav sah ihn skeptisch an.
„Diese Geschichte ist verbürgt, sie stammt von jemandem, der dabei gewesen ist“, beteuerte der Diener.
Als sie die Große Galerie betraten, fühlte sich Gustav einfach überwältigt angesichts all der Pracht und Herrlichkeit. Er stellte sich vor, wie fantastisch dieser gigantische Saal aussehen musste, wenn in den über sechzig vergoldeten Wandleuchten und den zwei schweren Lustern alle Kerzen brannten. Die vierzig Meter lange Galerie mit ihren Deckenfresken und den vielen Kristallspiegeln an den Wänden beeindruckte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte.
Nicht minder beeindruckt war er vom Chinesischen Rundkabinett, in dem Maria Theresia ihre geheimen Konferenzen mit dem damaligen Staatskanzler Fürst Kaunitz abgehalten hatte. Sein Großvater Albert von Karoly hatte ihm oft von diesem Zimmer und den konspirativen Gesprächen erzählt, obwohl er selbst nie die Ehre gehabt hatte, Schloss Schönbrunn betreten zu dürfen. Angeblich führte eine geheime Stiege in diesen Konferenzraum, über die wichtige Staatsmänner die mächtige Kaiserin aufsuchten. Und wenn es nichts zu konferieren gab, frönte die lebenslustige Maria Theresia hier ihrer Spielleidenschaft, dachte Gustav. Er empfand, trotz seiner republikanischen Einstellung, durchaus Sympathie für die legendäre Herrscherin.
Sprachlos vor Staunen war er, als er einen Blick in das Millionenzimmer werfen durfte. Mit offenem Mund bewunderte er den mit Rosenholz getäfelten und mit wertvollen Miniaturen aus Persien und Indien versehenen Raum, der als schönster Rokokoraum der Welt galt.
„Man sagt, diese kunstvollen indopersischen Malereien waren Ihrer Majestät, der Kaiserin Maria Theresia, Gott hab sie selig, lieber als alle ihre Juwelen“, erklärte der Diener, der sich über Gustavs Begeisterung zu freuen schien.
„Und hat sich auch Napoleons Sohn, der kleine Herzog von Reichstadt, in diesen Räumen aufgehalten?“
„Nein, Euer Gnaden. Die ehemaligen Kinderzimmer aus Maria Theresias Zeiten befinden sich im Parterre. Möchten Sie diese ebenfalls besichtigen?“
„Nein, nein, mir ist nur gerade eingefallen, dass der Herzog im Schloss Schönbrunn verstorben ist.“ Das Schicksal von Napoleon II. hatte Gustav schon als Kind sehr berührt. Seine Großmama hatte ihm erzählt, dass der arme Prinz im Alter von vier Jahren, kurz nach der Verbannung Napoleons ins Exil, nach Wien gebracht und getrennt von seiner Mutter, der Erzherzogin Marie Louise, am Hof einer radikalen Umerziehung unterzogen worden war. Der kleine Franzi, wie er später genannt wurde, avancierte
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