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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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war. Ob er seine geliebte Sisi vermisste? Eher unwahrscheinlich, denn die Kaiserin hatte sich in den letzten Jahren ohnehin nur mehr selten in Wien aufgehalten. Seine gute Freundin Katharina Schratt wird ihn schon über den schrecklichen Verlust hinwegtrösten – oder auch nicht, wenn es stimmte, was Marie Luise ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatte. Angeblich sträubte sich Erzherzogin Marie Valerie dagegen, die Rolle ihrer verstorbenen Frau Mama weiterzuspielen und die Schratt als ihre Freundin auszugeben, damit diese ihr Gesicht wahren konnte. Solange also Marie Valerie dieser angeblich rein platonischen Freundschaft nicht ihren Segen gab, würde die Schauspielerin den alten Kaiser nicht weiterhin entzücken dürfen, dachte Dorothea amüsiert. Was für ein scheinheiliges, verlogenes Theater!
    Auf einmal bemerkte sie, dass sie allein war. Keine Spaziergänger, keine Wachposten, nicht einmal Fiaker waren unterwegs. Ihr fiel ein, dass diese ja nicht in den Hof hineinfahren durften. Der ganze Platz war eine einzige Baustelle. Die neue Hofburg war noch immer nicht fertig. Das Gerücht, die Architekten hätten auf die Treppenaufgänge und Toiletten vergessen, hielt sich hartnäckig in der Bevölkerung. Graf Batheny, der die wenigen fertiggestellten Räumlichkeiten besichtigen hatte dürfen, hatte seiner Tochter erzählt, dass es nur bösartiges Gerede war. Die Wiener lieben die Gerüchteküche eben, dachte Dorothea, während sie das imposante Denkmal von Erzherzog Karl betrachtete, der Napoleon in der Schlacht bei Aspern die erste Niederlage zugefügt hatte. Eine technische Meister­leistung – denn das Pferd balancierte samt Reiter lediglich auf den Hinterhufen, ohne den Schweif als zusätzliche Stütze zu haben –, die den Erschaffer vor lauter Sorge, dass Pferd samt Reiter doch noch umfallen könnte, anscheinend in den Wahnsinn getrieben hat. Auch wieder so ein typisches Wiener G’schichtl. Dorothea wusste zwar, dass Anton Dominik von Fernkorn tatsächlich in der Landesirrenanstalt gestorben war, allerdings weil er an einer venerischen Krankheit gelitten hatte.
    Jetzt am Abend ruhten die Baumaschinen. Dorothea kam sich auf dem einsamen Gelände ziemlich verloren vor. Die immense Größe des Platzes behagte ihr nicht. Sie hatte wenig übrig für all den imperialen Protz in der Reichshaupt- und Residenzstadt und sehnte sich oft nach ihrer Heimatstadt Hamburg. Vor allem fehlte ihr in Wien das Wasser, die See. In Hamburg hatte sie mit ihren Eltern in einem schmucken zweistöckigen Häuschen an der Binnenalster gewohnt. Von ihrem Zimmer aus hatte sie aufs Wasser geblickt. Und wenn ihr geliebter Vater ausnahmsweise mal Zeit gehabt hatte, war er mit ihr in den Hafen gefahren und hatte der kleinen Dorothea von den fernen Ländern erzählt, aus denen die großen Handelsschiffe und Passagierdampfer kamen. Schöne, leider auch schmerzvolle Erinnerungen. Sie wollte nicht an ihren Vater denken, nicht jetzt. Rasch wischte sie sich die Tränen von den Wangen.
    Plötzlich war ihr, als wäre sie nicht mehr allein. Sie hörte Schritte und drehte sich um.
    Keine Menschenseele weit und breit. Die Gaslaternen malten gespenstische Schatten auf die hellen Mauern der gewaltigen Burg. Bewegte sich nicht etwas dort drüben beim Prinz-Eugen-Denkmal? Eine große, dunkle Gestalt? Erschrocken zuckte sie zusammen und schritt schneller aus. Gleich darauf schalt sie sich eine ängstliche dumme Gans. Bestimmt spielten die schummrigen Lichter der Gaslaternen ihren kurzsichtigen Augen einen Streich. Nichts als Schatten, dachte sie.
    Nein, da war jemand. Sie kniff die Augen zusammen. Und plötzlich sah sie die Silhouette, halb verborgen hinter dem Standbild des Prinz Eugen von Savoyen, des Retters von Wien. Der Mann musste sie schon seit einer Weile verfolgen. Denn warum würde er sich sonst vor ihr verstecken?
    Sie legte einen Schritt zu, drehte sich nicht mehr um, bis sie fast beim Äußeren Burgtor angelangt war.
    Bedrohlich türmten sich die fünf Torbögen vor ihr auf. Die Beleuchtung ließ zu wünschen übrig. Zwei der Gaslaternen, links und rechts, waren kaputt. Sie wusste, dass das Tor bewacht wurde. Der Gedanke an die Burgwache und der Lärm, der von der nahen Ring­straße herüberschallte, beruhigten sie. Sie steuerte auf das mittlere Tor zu, bis ihr einfiel, dass dieses nur von der kaiserlichen Familie benutzt werden durfte, also wählte sie das äußere rechte Tor.
    Als sie auf dem Platz zwischen den neuen Museen

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