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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Er hätte mich da hinuntergeworfen.“ Schaudernd deutete sie auf den Abgrund. „Er hat die Flucht nur ergriffen, weil du aufgekreuzt bist.“
    „Ich war ohnmächtig und dir keine große Hilfe, verzeih …“
    „Allein deine Anwesenheit hat genügt.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    Gustav errötete und umarmte sie.
    „Du bist einfach unglaublich! Ich hab gesehen, wie du ihm mit deinen Fingern die Augen auskratzen wolltest. Du warst großartig!“
    „Und dann hab ich ihm mein Knie zwischen die Beine gestoßen.“ Dorothea konnte sich plötzlich nicht mehr halten vor Lachen.
    Gustav stand zu sehr unter Schock, als dass er in ihr Gelächter hätte einstimmen können. Obwohl er ahnte, wer der Angreifer gewesen war, wollte er es einfach nicht glauben.
    „War es wirklich ER?“
    Sie nickte.
    „Ich fasse es nicht! Dieser Mann war mir ein Freund.“
    „Du hast dir nur eingeredet, dass er dein Freund ist. Menschen wie Karl Konstantin haben keine Freunde. Er ist ein kranker Mann, ein Psychopath, würde Doktor Freud sagen. Er ist besessen von der Kaiserin. Wir haben doch letztens festgestellt, dass alle Opfer ihr ähnlich sahen, jugendliche Kopien Ihrer Majestät.“
    „Glaubst du, er hat sie gehasst?“
    „Die Kaiserin? Ich denke ja. Vielleicht war es eine Art Hassliebe. Entweder hat er ihr diese edlen Damen als Opfer dargebracht oder er hasst Frauen, die ähnlich wie sie nach Selbständigkeit und Selbstbestimmung streben. Ich neige zur letzteren Variante.“
    „Verzeih meine direkte Frage, hältst du freizügige Frauen, die sich dem Gebot der ehelichen Treue widersetzen, für selbständig?“
    „Du willst jetzt mit mir nicht ernsthaft diese Frage diskutieren, Gustl!“
    „Nein. Entschuldige bitte“, stammelte er. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis wir einen Fiaker finden. Wirst du es schaffen oder soll ich dich tragen?“
    „Mach dich nicht lächerlich. Ich hab nur ein paar Schrammen abbekommen.“
    „Auf deinem Mantel sind Blutflecken.“
    „Ich habe mir meine Hände daran abgewischt.“
    Gustav fand ein sauberes Taschentuch in seiner Jackentasche und wickelte es um Dorotheas rechte Hand, die immer noch ein wenig blutete.
    „Hast du noch ein Taschentuch? Ich verbinde sicherheitshalber auch deine andere Hand.“
    „Lass es gut sein.“ Dorothea hatte keines dabei.
    Da Gustav ihr nicht zumuten wollte, die vereisten Wege oder gar den steilen Schönbrunner Berg auf dem Hintern hinunterzugleiten, stapfte er mit ihr durch den Wald Richtung Menagerie. Sie mussten sich immer wieder an Baumstämmen oder an dicken Zweigen festhalten, um nicht ins Rutschen zu geraten.
    Die Menagerie war geschlossen. Kein Fiaker weit und breit. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu Fuß weiterzugehen. Dorothea war die Erschöpfung anzusehen. Sie war beängstigend bleich, hing schwer an seinem Arm und ging sehr langsam.
    Sie sprachen kein Wort miteinander. Es war kein unangenehmes Schweigen. Gustav empfand große Bewunderung für die Tapferkeit seiner Begleiterin. Jede andere Frau hätte gejammert oder geheult. Dorothea war wirklich eine sehr außergewöhnliche junge Dame.
    Am Hietzinger Platzl fanden sie endlich einen Fiaker.
    Gustav bemühte sich, es Dorothea auf der Fahrt so angenehm wie möglich zu machen, legte ihr eine Decke um die Schultern und breitete die andere über ihre Knie. Sanft strich er über ihre linke Hand und fragte, ob er sie nicht besser doch verbinden solle. Als er sein Hemd aus dem Hosenbund zog und Anstalten traf, vom Saum ein Stück abzureißen, sagte sie: „Lass gut sein, wir sind eh gleich zu Hause. So schlimm ist es nicht. Was ich jetzt gern hätte, wär ein Schlückchen von deinem Cognac!“
    „Sobald wir daheim sind, bekommst du die ganze Flasche, wenn du willst.“
    Den Rest der langen Fahrt verbrachten sie wieder schweigend.
    Nachdem sie in den k.k. Hofstallungen angekommen waren, ließ Gustav nach Edi suchen und schickte ihn zu Polizei-Oberkommissär Rudi Kasper.
    Vera erbleichte, als sie Dorotheas Verletzungen sah und Gustav ihr berichtete, was geschehen war, doch sie behielt einen kühlen Kopf, reinigte Dorotheas Wunden, gab vorsichtig Jod darauf und verband dann behutsam ihre Hände. Gustav versorgte die Damen mit Cognac. Auch Vera benötigte dringend einen kleinen Schluck zur Beruhigung.
    Als Edi nach einer Weile zurückkam und ihnen mitteilte, dass der Herr Polizei-Oberkommissär weder in seiner Wohnung noch in der

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