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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Polizeidirektion anzutreffen gewesen war, wurde die ruhige, besonnene Vera von Karoly laut: „Such ihn gefälligst, du Idiot!“, schrie sie den böhmischen Kutscher an. Gustav konnte sich nicht erinnern, seine Tante jemals so außer Fassung erlebt zu haben.
    Josefa servierte ihnen Mohnnudeln zum Abend­essen. Keiner der drei hatte Appetit.
    Dorothea konnte wegen des dicken Verbandes die Gabel kaum halten und weigerte sich standhaft, sich füttern zu lassen wie ein Kleinkind. Gustav schien sich an diesem Abend lieber von Cognac zu ernähren und Vera stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Ausnahmsweise war die gute Josefa nicht beleidigt, dass man ihre Mohnnudeln verschmähte. Sie räumte die fast vollen Teller wieder ab und zog sich in ihre Kammer zurück.
    Zu dritt beratschlagten sie nun, wie sie den Erzherzog überführen könnten. Dorotheas Aussage würde womöglich nicht genügen. Vor allem würden sie ihm die Morde nicht nachweisen können.
    Dorothea schlug vor, Karl Konstantin eine Falle zu stellen, ihn zu entführen und notfalls mit Gewalt in Rudis Büro zu schleppen.
    „Sie hat Recht. Wir müssen es schaffen, ihn in die Polizeidirektion zu deinem Freund Rudi zu bringen. Der wird ihm schon ein Geständnis entlocken“, meinte Vera.
    Gustav, der sich mittlerweile nicht mehr darüber wunderte, dass seine Tante so große Stücke auf Rudi hielt, hörte sich den abenteuerlichen Plan der beiden Damen ungeduldig an.
    „Verzeiht, ich fürchte, ihr lest zu viele Kriminal­romane. Wir leben in Wien, am Ende des 19. Jahrhunderts, und der alte Kaiser bestimmt, was Recht ist und was nicht. Vergesst eure fantastischen Ideen. Jack the Ripper haben sie auch nie erwischt. Jedermann weiß inzwischen, dass sich hinter diesem Namen höchstwahrscheinlich ein englischer Adeliger verbirgt. Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass die Habsburger Justiz ein Mitglied des Herrscherhauses wegen der Morde in Schönbrunn anklagen wird?“
    „Du denkst, der Hof wird alles vertuschen? Nicht, wenn Graf Batheny ihn beschuldigt. Wir müssen ihn einweihen“, sagte Dorothea.
    Gustav nickte nur und entschuldigte sich bald darauf bei den Damen aufgrund von Kopfschmerzen. All die Anstrengungen des Tages waren zu viel für seine zarte Konstitution gewesen.
    Die Stimmen von Vera und Dorothea drangen wie ein monotones Summen an sein Ohr, während er sich in seinem Bett unruhig hin und her wälzte. Er hätte zu gern gewusst, worüber sie sprachen. In den frühen Morgenstunden fasste er einen neuen, selbst in seinen eigenen Augen ziemlich verrückten Plan.

38
    Zu Allerseelen saß Gustav am späten Vormittag bei einem Kleinen Schwarzen im Casino Dommayer, als Karl Konstantin hereinspazierte. Der Erzherzog zögerte kurz, als er Gustav erblickte, ging dann forschen Schrittes und ohne ihn zu grüßen an ihm vorbei geradewegs zu einem Tisch am Fenster.
    Gustav sprang auf und folgte ihm. Bevor der Erzherzog Platz genommen hatte, baute sich Gustav, der ein paar Zentimeter größer war als Karl Konstantin, vor ihm auf und herrschte ihn an: „Sie haben vier unschuldige Frauen auf dem Gewissen. Sie sollten sich stellen, mein Herr, bevor man Sie in Fesseln abführt, wie es bei gemeinen Mördern üblich ist.“
    Gustav war bewusst zum förmlichen Sie zurückgekehrt. Er sprach leise, weil ihm solch öffentliche Auftritte peinlich waren. Außerdem würde ihm ohnehin keiner der Gäste glauben, dass Karl Konstantin der Frauenmörder von Wien war.
    Der Erzherzog setzte sich hin, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    „Sie sind zu feige, die Verantwortung für Ihre Taten zu übernehmen.“
    „Sind Sie betrunken, Herr von Karoly?“
    Karl Konstantin griff nach einer Zeitung. Damit brachte er das Fass zum Überlaufen. Gustav packte ihn am Kragen seiner Jacke und versuchte, ihn wieder hochzuziehen: „Sie werden mir jetzt auf der Stelle Rede und Antwort stehen, sonst …“
    „Sonst?“
    „Ich schwöre Ihnen, ich werde Sie aufs Schafott bringen!“
    „Machen Sie sich nicht lächerlich. Wenn Sie mich weiter belästigen, lasse ich Sie hinauswerfen.“
    Der Erzherzog blickte sich nach einem Ober um.
    Gustav sah sich bereits hochkantig zur Tür hinausfliegen. Von einer Sekunde zur anderen beruhigte er sich wieder und schlug eiskalt eine Partie Billard auf Leben und Tod vor: „Eine Partie, die alles entscheidet!“
    Vera und Dorothea hätten seine Vorgehensweise gewiss missbilligt. Aber er war eben ein Spieler, genauso wie der Erzherzog. Bei ihren letzten drei Spielen

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