Die Toten befehlen
der Chuetas, nahmen mit, was sich der Mühe lohnte, und machten aus den Möbeln Scheiterhaufen. In die Flammen warfen sie die Kruzifixe ... Kruzifixe von Judenabkömmlingen mußten gefälscht sein!
Es gab eine Liste mit verdächtigen Familiennamen, um die wirklichen Chuetas festzustellen. Dieses berüchtigte Namensverzeichnis war während der Autodafés durch das Inquisitionstribunal angefertigt worden. Gegen die Abkömmlinge dieser Familien richtete sich der Haß des Volkes.
»Welches Glück, katholisch geworden zu sein! Die Vorfahren wurden auf dem Scheiterhaufen geröstet, und die Nachkommen bleiben trotz Taufe und Weihwasser für Jahrhunderte gekennzeichnet.«
Der Kapitän verlor seinen ironischen Ton, wenn erauf die Inquisition zu sprechen kam. Sein Gesicht wurde zornrot, und die Augen blitzten in grimmiger Empörung.
Um ruhig leben zu können, waren sämtliche Juden im XV. Jahrhundert übergetreten. Für die Inquisition bestand aber die Notwendigkeit, etwas zu tun, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Jeder, gegen den auch nur der Verdacht vorlag, noch am jüdischen Glauben zu hängen, war ihrem Tribunal verfallen. Auf der Avenida Borne fanden große Schauspiele statt, und zwar, wie die Chronisten jener Zeit berichten, »genau nach dem Vorbild der prächtigen Veranstaltungen, die man in Madrid, Palermo und Lima organisierte, um den Triumph des Glaubens zu verherrlichen«. Viele Chuetas wurden öffentlich verbrannt, andere ausgepeitscht. Manche entgingen dem Tode nur dadurch, daß sie die Schande auf sich nahmen, in einer mit Teufeln bemalten Kapuze und mit einer grünen Kerze in der Hand öffentlich zur Schau gestellt zu werden. Allen aber, ohne Ausnahme, nahm man das gesamte Vermögen. Das Inquisitionstribunal wurde reich. Damals kam der Brauch auf, daß alle Chuetas, soweit sie keinen Fürsprecher unter den Geistlichen fanden, jeden Sonntag von den Schergen zur Messe geführt wurden. Um nicht verwechselt zu werden, mußten diese Unglücklichen Schleier tragen. Schmähungen und Steinwürfe der gläubigen Menge begleiteten sie auf ihrem Wege zur Kathedrale. In dieser niemals endenden Qual starben die Väter. Aus den Kindern wurden Männer, neue Opfer für den Haß des Volkes.
Verschiedene Familien faßten den Entschluß, dieser Schande ein Ende zu machen und zu fliehen. Sie trafen sich in einem Obstgarten, nahe der Stadtmauer. RaffaelValls, ein Mann von Mut und großer Bildung, war der Führer des ganzen Unternehmens.
»Ich weiß nicht mit Bestimmtheit, ob er zu meiner Familie gehörte«, sagte der Kapitän, »denn seitdem sind mehr als zwei Jahrhunderte verflossen. Ich würde es aber als eine große Ehre betrachten, ihn unter meine Vorfahren zu zählen.«
Don Pablo hatte, soweit es ihm möglich war, alle alten Bücher und Dokumente aus der Zeit der großen Verfolgung gesammelt und sprach von den damaligen Ereignissen, als hätten sie sich erst gestern zugetragen.
»Männer, Frauen und Kinder schifften sich auf einem englischen Segler ein. Aber ein schwerer Sturm warf das Schiff an die Küste von Mallorca zurück. Alle Flüchtlinge wurden gefangengenommen. War es nicht unerhört, von Mallorca entfliehen zu wollen, noch dazu auf einem Schiff, dessen Mannschaft Ketzer waren! Drei Jahre lang lagen diese Unglücklichen im Kerker. Die Beschlagnahme ihres Vermögens brachte eine Million Duros. Mit dieser Summe und den Millionen anderer Opfer erbaute das heilige Tribunal in Palma den prächtigsten Palast, den die Inquisition je besessen hat. Die Gefangenen wurden der Folter unterworfen, bis sie bekannten, was ihre Richter zu hören wünschten. Am 7. März 1691 begannen dann die Verbrennungen.
Diese Ereignisse sind von dem besten Chronisten der Welt, dem Jesuitenpater Garau, beschrieben worden, einem Born der theologischen Weisheit, Rektor vom Seminar Monte Sion und Verfasser des Buches ›Der triumphierende Glaube‹, das ich nicht für alles Geld der Erde weggeben würde. Hier ist es. Es begleitet mich überall hin.«
Don Pablo zog aus seiner Tasche ein in Pergament gebundenes Büchlein mit uraltem, rötlichem Druck, dessen vergilbte Blätter er zärtlich streichelte.
»Gesegnet sei Pater Garau.« Da es sein Amt war, den Verurteilten geistlichen Beistand zu bringen, hatte er alles aus nächster Nähe miterlebt. So beschrieb er die vielen Tausende der Zuschauer, die aus allen Teilen der Insel herbeigeströmt waren, um am Feste teilzunehmen, die feierlichen Messen, denen achtunddreißig zum Scheiterhaufen
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