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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Malteserritter, der sich über Gott und den Teufel lustig machte und kein anderes Gesetz als seinen eigenen Willen kannte! Nein, ihn wollte Jaime nicht verleugnen! Dieser Rebell, der Beste der Febrer, war sein wahrer Vorfahre.
    Im Turm zündete er ein Licht an, hüllte sich in einen wollenen Burnus und nahm ein Buch, um seine Gedanken abzulenken.
     
    Zur selben Zeit drängten sich in der Küche von Can Mallorqui Margalidas Bewerber mit lehmbeschwerten Sandalen und durchnäßter Kleidung. Das Zusammenseinverlängerte sich heute über die übliche Stunde hinaus, denn Pèp erlaubte den Atlòts mit väterlicher Miene, das Ende des Gewitters bei ihm abzuwarten. Es tat ihm leid, die Burschen, von denen einige noch einen stundenlangen Weg vor sich hatten, in den Regen hinauszuschicken. Sollte das Gewitter anhalten, so konnten sie in der Küche oder der Veranda übernachten.
    Die Atlòts waren hocherfreut, länger als sonst bleiben zu dürfen. Der Ferrer, immer darauf bedacht, seine Rivalen auszustechen, stimmte eine Gitarre und sang mit halber Stimme Volkslieder im Dialekt von Ibiza. In einem Winkel saß der Cantó und sann über neue Verse nach. Da jeder der Atlòts schon mit Margalida geplaudert hatte, wagte es keiner, sich nochmals auf den leeren Stuhl neben sie zu setzen. Pèp, von Müdigkeit übermannt, schlummerte in seinem Lehnstuhl. Seine Frau fuhr bei jedem Donnerschlag zusammen. Ihre leisen Angstschreie vereinten sich mit Stoßgebeten: »Gebenedeit seist du, heilige Barbara, bitte für uns.« Margalida, ganz unempfänglich für die Blicke der Verehrer, schlief beinahe auf ihrem Stuhl ein.
    Plötzlich wurde zweimal an die Tür geklopft. Der Hund richtete sich auf, bellte aber nicht, sondern wedelte freudig mit dem Schwanz.
    Margalida und ihre Mutter schauten mit einer gewissen Unruhe nach der Tür. Wer konnte es wohl sein? So spät in der Nacht und bei diesem Unwetter? War vielleicht Don Jaime etwas zugestoßen?
    Pèp, den die beiden Schläge geweckt hatten, stand auf. »Avant qui siga!«
    Die Tür öffnete sich. Der Wind jagte den Regenbis in die Mitte des Raumes und ließ die Lampe jäh aufflackern. In dem schwarzen Rechteck der offenen Tür hob sich, von einem Blitze scharf beleuchtet, eine vermummte Gestalt ab, die von Nässe triefte und deren Gesicht unter einer Kapuze verborgen war.
    Mit entschlossenem Schritt trat der späte Gast ohne zu grüßen ein und ging, gefolgt von dem Hunde, der seine Beine zutraulich beschnüffelte, geradenwegs zu dem leeren Stuhl, der neben Margalida stand. Auf diesem nur für die Bewerber bestimmten Platze ließ er sich nieder, schob seine Kapuze zurück und blickte das junge Mädchen an.
    »Ah!« seufzte Margalida erbleichend.
    Heftig erregt fuhr sie mit einer brüsken Bewegung zurück und wäre beinahe zu Boden gefallen.

Drittes Buch

I.
    Als Jaime zwei Tage später vom Fischfang zurückgekehrt war und im Turme auf sein Essen wartete, erschien plötzlich Pèp, der den Frühstückskorb mit einer gewissen Feierlichkeit auf den Tisch stellte und sein ungewöhnliches Kommen mit der Abwesenheit seiner Familie erklärte.
    »Meine Frau und Margalida haben einen neuen Bittgang nach der Klause der Cubells unternommen, und Pepet begleitet sie.«
    Febrer, der seit Morgengrauen auf dem Wasser gewesen war, aß mit gutem Appetit, bis ihm endlich die ernste Miene Pèps, der ihm schweigend zuschaute, auffiel.
    »Pèp, du möchtest mir gern etwas sagen, hast aber keinen Mut anzufangen«, sagte Jaime im Dialekte von Ibiza.
    »So ist es, Herr.«
    Wie alle schüchternen Menschen, die lange zweifeln und schwanken, ob sie sprechen sollen, sich dann aber blindlings mitten in die Sache hineinstürzen, brachte Pèp ohne Umschweife sein Anliegen vor.
    »Ja, ich habe mit Ihnen zu reden, Don Jaime, über eine sehr wichtige Angelegenheit. Seit zwei Tagendenke ich unaufhörlich darüber nach und kann nicht länger schweigen. Daß ich Ihnen heute das Essen brachte, war nur ein Vorwand, um mit Ihnen ungestört sprechen zu können. Warum machen Sie sich lustig über uns, die wir Sie so gern haben?«
    »Ich, mich lustig machen?« rief Febrer erstaunt aus.
    »Ja, Don Jaime, das ist leider wahr«, bestätigte Pèp traurig. »Was bedeutet sonst dieser Vorgang in der Gewitternacht? Welche Laune trieb Sie, sich vor aller Augen wie ein Bewerber neben Margalida zu setzen? Obacht, Don Jaime! Mit den Festeigs ist nicht zu scherzen. Ihretwegen töten sich die Männer. Ich weiß wohl, daß die Herren in der Stadt unsere

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