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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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habe, in denen überlebende Résistancekämpfer belästigt worden waren. Jetzt brauchte Enzo nur noch die Identität des Briefeschreibers zu ermitteln und etwas zu finden, das ihn mit Giovanni Trantemento in Verbindung brachte. Ein Brief wäre dabei ausgesprochen hilfreich. Oder zumindest eine bezeugte Drohung.
    Der Bürgermeister zeigte sich einstweilen hochzufrieden. Selbst der ermittelnde Richter war glücklich. Neonazis zu verfolgen war ein bisschen, wie Fische aus einem Fass zu angeln – für jeden befriedigend, außer für die Fische.
    »Übrigens«, sagte Enzo plötzlich, »wegen Ihrer Dr. Sachs?«
    Pallioti wandte den Blick von den Briefen an der Tafel ab und sah ihn über die Schulter an.
    »Ich sage es nicht gern«, meinte Enzo, »aber ich glaube, Sie sind ihr gegenüber ein bisschen ungerecht.«
    Pallioti zog die Brauen hoch.
    »Nicht nur wegen des Salzes.« Enzo griff nach einem weiteren Blatt, warf einen Blick darauf und legte es wieder ab. »Sondern auch, was die Bekanntschaft zwischen Roblino und Trantemento angeht.«
    »Ach ja?«
    Enzo nickte. »Vor ein paar Stunden hat D’Aletto das Material gesichtet, das Roberto Roblino vor Jahren dem Ortsmuseum vermacht hatte. Es war ein ganzer Koffer voll. Lauter Kleinkram, hauptsächlich ausgeschnittene Zeitungsartikel. Offenbar hat man es nie für nötig gehalten, den Koffer auch nur zu öffnen. Wahrscheinlich bekommen sie dort ständig Berge von Müll zugeschickt. Der landet dann im Archiv, bis man irgendwann, möglicherweise, falls es gerade nichts anderes zu tun gibt, eine Aushilfe oder einen Studenten dazu abstellen kann, alles durchzugehen.«
    Pallioti nickte. Provinzmuseen waren so etwas wie die geschichtlichen Abwassersammelbecken des Landes. Voller Pandorabüchsen, die nie jemand öffnen würde.
    »Sie hatten wenigstens den Anstand, betreten zu sein«, ergänzte Enzo. »Sie haben zugegeben, dass sie sich den Orden schenken ließen, weil man den vorzeigen konnte, aber den Rest keines Blickes gewürdigt haben. Jedenfalls ist das Ehrungsschreiben hier. Oder genauer gesagt ein Fax davon.«
    »Das Ehrungsschreiben?«
    Enzo nickte. »Genau.« Er wühlte in einem Stapel. »Für den Orden. Und der Vorschlagsbrief. Geschrieben von – voilà !« Er zog zwei zusammengeheftete Blätter heraus.
    »Giovanni Trantemento.« Pallioti brauchte die Papiere gar nicht anzusehen.
    »Korrekt. Ich fürchte, Ihre Frau Doktor hatte recht, was das Geld angeht.«
    Pallioti nahm die dünnen Faxbögen entgegen und merkte, wie ihn tiefe Trauer überfiel. Dieser Brief war mit Sicherheit ein Höhepunkt im Leben des alten Mannes gewesen. Das ganze letzte Jahr hatte er damit zugebracht, sein »Archiv« zu ordnen und danach seine wertvollsten Unterlagen an ein örtliches Museum zu schicken, wo man sie unbesehen in den Keller gesteckt hatte.
    Der Brief selbst umfasste zwei Seiten unter Giovanni Trantementos Briefkopf. Dem Anschein nach war er mit einem Füller geschrieben worden. Die Kopie war nicht schlecht, aber die Hand des Alten war zittrig gewesen.
    Ich, Giovanni Battiste Trantemento, bezeuge hiermit, dass ich die folgenden Ereignisse miterlebt habe und dass folgende Schilderung der Wahrheit entspricht:
    Im Februar 1944 war ich beteiligt an einem Attentat meiner GAP-Einheit in Florenz. Ziel des Anschlags war die Tötung des deutschen Konsuls Gerhard Wolf und zweier hochrangiger Offiziere des Sicherheitsdienstes SD, des damaligen NSDAP-Geheimdienstes, die zu dieser Zeit in der Stadt waren und ein Konzert im Teatro della Pergola besuchen wollten. Ihre Namen wurden mir nicht genannt. Ich arbeitete mit drei weiteren Angehörigen meiner GAP-Einheit zusammen – einem Mann, den ich als Massimo kannte, einem zweiten, den ich als Beppe kannte, sowie einer Frau, die ich als Lilia kannte. Ich selbst war den dreien als Il Corvo bekannt.
    Um die Zahl der zivilen Opfer möglichst gering zu halten, wurde beschlossen, das Attentat mit einer Feuerwaffe statt mit einer Granate durchzuführen. Beppe und ich sollten als Kohlenhändler verkleidet durch die Via Pergola kommen, während der Mann, den ich als Massimo kannte, und die Frau, die ich als Lilia kannte, Konzertgänger auf dem Weg zur Vorstellung darstellen sollten. Sie sollten verspätet eintreffen, damit sie möglichst nahe an den Konsul und die Offiziere herankamen, die regelmäßig erst eintrafen, nachdem alle anderen Besucher Platz genommen hatten. Die Frau, Lilia, sollte eine Handtasche tragen, in der eine kleine Handfeuerwaffe liegen

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