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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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einem Einschussloch in der Stirn, weil er sich nicht hatte umdrehen wollen. »Sie können mir nicht vielleicht sagen, wo genau sie sich befindet?«
    »Certo« , sagte Signora Grandolo. »Natürlich. Es …« Sie verstummte kurz und sagte dann: »Also, wenn es Sie wirklich interessiert – ich fahre selbst regelmäßig hin, um die Blumen auszutauschen. Ich könnte … aber gut. Wahrscheinlich möchten Sie lieber alleine hinfahren. Fanatiker sind eine Plage, ich weiß. Und …«
    »Nein«, fiel ihr Pallioti schnell ins Wort. »Nein, ganz und gar nicht. Das würde ich ausgesprochen gern. Mit Ihnen zusammen hinfahren. Falls Sie das vorschlagen wollten, falls Sie mir die Stelle zeigen würden.«
    »Ach …« Signora Grandolo klang aufrichtig überrascht. So sehr, dass Pallioti den Verdacht hatte, sie hätte ihn eigentlich gar nicht einladen wollen.
    »Bitte verzeihen Sie«, sagte er. »Falls Sie das nicht möchten …«
    »Doch, doch«, fiel sie ihm ihrerseits ins Wort. »Natürlich möchte ich. Es wäre mir ein großes Vergnügen, Gesellschaft zu haben.«
    »Wann wollten Sie denn hinfahren?«, fragte er.
    Er hörte, wie sie eine Seite in einem Terminkalender oder Notizbuch umblätterte.
    »Es ginge«, sagte sie, »gleich heute Mittag. Oder, falls das …«
    »Das würde mir passen.«
    »Sehr gut«, sagte sie. »Sagen wir ein Uhr? Wie ich festgestellt habe«, erläuterte sie, »kommt man manchmal schneller los, wenn alle beim Mittagessen sitzen.«

    Signora Grandolos Wagen, ein langer, schwarzer Mercedes, war entschieden eindrucksvoller als alles an Fahrzeugen, was Pallioti aus dem Polizeipool anfordern konnte. Er war eindrucksvoller als alles, worin sich der Bürgermeister herumkutschieren ließ. Falls Enzo Saenz je hinter das Lenkrad gelangte, würde man ihn wahrscheinlich mit einer Brechstange heraushebeln müssen.
    »Früher hatte ich einen Alfa.« Sie sah ihn aus den Augenwinkeln an. »Aber ehrlich gesagt«, gestand Signora Grandolo, »wurde er mir irgendwann zu unbequem. Die alten Knochen.« Sie lächelte wehmütig. »Die Deutschen machen die bequemeren Sitze.«
    Pallioti sah sie von der Seite an, und ihn durchzuckte der Gedanke, dass er keine Ahnung hatte, wie alt sie wirklich war. Er hatte gehört, dass man einer Frau das Alter am Handrücken ansehen konnte, aber er hatte keine Ahnung, wie er das interpretieren sollte, außerdem trug Signora Grandolo Handschuhe. In ihrer dunklen Wollhose, dem dazu passenden Rollkragenpullover und ihrem, wie Saffy es wohl ausdrücken würde, »Herrenfahrermantel« sah sie noch eleganter aus als bei ihrem ersten Treffen. Kein Zweifel. Maria war da keine Ausnahme. Die Frauen der Grandolos waren wunderschön.
    Sie sah in den Rückspiegel. Auf dem Rücksitz lagen zwei längliche weiße Kartons.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht«, sagte sie, während sie sich in den Verkehr einfädelten, »aber ich muss unterwegs kurz haltmachen. Wir fahren direkt an einer Schule vorbei, die als Sammelpunkt diente und von der aus die Menschen auf die Züge verladen wurden. Es dauert nicht lange.«
    Pallioti schüttelte den Kopf. »Keineswegs.«
    Er ließ sich in den tatsächlich sehr bequemen Sitz sinken und genoss das ungewohnte, aber keineswegs unangenehme Gefühl, jemand anderen entscheiden zu lassen. Er merkte, dass er im Grunde nicht wusste, wohin sie fuhren – »in die Hügel« konnte alles Mögliche bedeuten – oder wie lange sie brauchen würden. Es war ihm auch egal. Er hatte sich an Guillermos leerem Schreibtisch – Signora Grandolo hatte das mit dem Mittagessen ganz richtig gesehen – vorbeigeschlichen und war ein weiteres Mal durch den Lieferanteneingang entwischt. Dann hatte er sich wieder zur Piazza vorgearbeitet und eines der Taxis am Stand genommen, wobei er sich kindisch über die Vorstellung gefreut hatte, dass ihn die lauernden Reporter entdeckt hätten, wenn sie auch nur ein Mal in seine Richtung geblickt hätten.
    Aber das hatten sie natürlich nicht. Weil Menschen immer nur dorthin blicken, wo sie etwas zu sehen erwarten. Die pubertäre Schadenfreude, ihnen »durch die Lappen gegangen« zu sein, hatte angehalten, bis das Taxi weggefahren war. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sein Handy auszuschalten. Stattdessen hatte er es auf »Vibrieren« gestellt. Falls Enzo anrief, würde es in seiner Tasche herumspringen wie ein gefangener Grashüpfer.
    Die Schule war ein hässliches Backsteingebäude und von einem Eisenzaun umgeben. Sie stand nur ein paar Straßen vom Bahnhof

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