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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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Die Frauen hinter der Theke taten nicht einmal so, als würden sie nicht lauschen. Wenn er irgendwann wieder hierherkam, würden sie ihm wahrscheinlich ein verschimmeltes Schinken-Panino und versalzenen Kaffee servieren.
    »Eleanor«, wiederholte er. »Bitte. Ich bin wirklich dankbar für Ihre Hilfe, und ich möchte auch nicht unhöflich erscheinen, aber Sie müssen einfach verstehen …«
    Zu seiner Überraschung nickte sie. Dann sah sie zu ihm auf. Ihre Augen waren gerötet, aber ihre Unterlippe zitterte nicht mehr.
    »Seit fast drei Jahren suche ich nach ihm«, sagte sie. »Ich weiß, dass Sie das für verrückt halten müssen, und vielleicht ist es das auch. Ich habe dafür meine Karriere ruiniert. Meine Ehe in den Sand gesetzt. Aber mein Vater ist tot. Ich habe nie die Menschen kennengelernt, die ihn großgezogen haben. Ich weiß nicht, wer ich bin, und ich weiß nicht, wo ich sonst nach ihnen suchen sollte. Ich habe jeden einzelnen Stein umgedreht. Ich habe mich lächerlich gemacht, indem ich Ihnen aufgelauert habe. Ich habe alles getan, was ich nur tun konnte.«
    Sie verstummte und holte tief Luft. Pallioti spürte, wie die Schleusen nachgaben, wie das Wasser hereinströmte und immer höher stieg.
    »So nah wie heute bin ich ihm noch nie gekommen«, sagte Eleanor Sachs. »Ich werde niemandem etwas verraten. Ich schwöre es. Ich werde jede Anweisung befolgen, die Sie mir geben.« Sie sah ihn an. »Aber Sie dürfen mich nicht wegschicken. Ich muss diesen Massimo oder Piero – oder wie er auch heißen mag – wenigstens ein Mal sehen. Bitte.« Sie griff nach Palliotis Arm. »Denn wer dieser Mann auch gewesen ist – er könnte mein Großvater sein.«

31. Kapitel
    Das Haus war mehr als nur ein Haus. Der Straßenblock deutlich größer als ein gewöhnlicher Straßenblock. Und genau betrachtet lag beides nicht mehr in Siena. Aber Achilleo Venta hatte nicht gelogen, was die Größe anging. Es stand außer Frage, dass Piero Balestros Anwesen riesig war.
    In einer Landschaft wie aus einem Hollywoodfilm verloren sich Kalkhügel, allem Anschein nach mit Weizen bewachsen und gekrönt von pittoresken Zypressenhainen, links und rechts in der Ferne. Die Zufahrt, in die sie eingebogen waren, schlängelte sich mit Sicherheit über mehr als hundert Hektar Grund. Vorsichtig geschätzt. Pallioti hatte auf seine Anfrage hin lediglich die gegenwärtige Adresse des Mannes mitgeteilt bekommen. Die genaue Größe des Grundstücks – und alles Weitere, was Guillermo über Piero Balestro und/oder Doctor Peter Bales ausgraben konnte – würde er erst erfahren, wenn er nach Florenz zurückgekehrt war.
    Bevor sie San Galgano verlassen hatten, hatte er noch einmal telefoniert, um den für Eleanor Sachs bestellten Wagen wieder abzubestellen. Der Fahrer, der bereits fröhlich über die Autobahn geschossen war, war wahrscheinlich wenig begeistert. Aber auch Pallioti war nicht sonderlich begeistert. Er hoffte nur, er würde nicht bereuen, dass er Eleanor erlaubt hatte, ihn zu begleiten. Aber er wusste schon jetzt, dass er es – so oder so – wahrscheinlich tun würde. Er empfand volles Mitgefühl für jeden auf der Welt, der Kinder hatte. Bestimmt war das ein ähnliches Gefühl, dachte er – wenn man sich gegen besseres Wissen immer wieder in die Ecke drängen ließ.
    Endlich hatten sie Piero Balestros Heim erreicht, das am Ende der Zufahrt auf einer Anhöhe thronte. Die gefällige Zusammenstellung von Natursteinen und Ziegeln wirkte auf den ersten Blick alt, war es aber auf den zweiten Blick nicht. Auf dem Rund vor dem Haus standen ein auf Hochglanz polierter Alfa und ein kantiges rotes Gefährt, das sich Jeep Wagoneer nannte. Hinter der eleganten Zypressenreihe, die sich an die Säulen vor dem Haus anschloss, konnten sie einen sanft abfallenden, knallgrünen Rasen und dahinter eine Koppel erkennen, hinter der wiederum eine Reihe von Ställen aufragte.
    Pallioti sah Eleanor an.
    »Ich weiß«, sagte sie, bevor sie die Tür aufdrückte. »Ich habe es nicht vergessen. Keinen Mucks.«
    Der helle Kies knirschte unter ihren Schuhen. Vier eingetopfte Lorbeerbäume standen links und rechts der überbreiten Eingangstür Spalier. Ein angemessen verwittertes Paar Steinlöwen lagerte mit gekreuzten Pfoten und aufgerissenem Rachen oberhalb der Stufen. Das Einzige, was nicht ins Bild passte, war die Überwachungskamera. Das runde Auge fixierte sie unter dem Dachsims hervor. Pallioti blickte betont hinauf. Ihm war eine ähnliche Kamera an dem

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