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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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paar andere hatten ihre Köpfe über die Boxentüren gestreckt und schienen zu schlafen.
    »Pferde«, dröhnte Balestro, als er Palliotis Blick bemerkte. »Lawrence von Arabien sagte damals: ›Irgendwo auf den Weiden der menschlichen Seele galoppieren Pferde.‹ Mögen Sie Pferde, Dottore?«
    »Nein«, antwortete Pallioti ruppig.
    Das war genau genommen nicht wahr. Aber ihm stand nicht der Sinn nach einer weitschweifigen Exkursion durch Piero Balestros Reitimperium.
    »Ich möchte Ihre Zeit nicht länger beanspruchen als nötig«, sagte er. »Sie sind bestimmt ein viel beschäftigter Mann. Aber wir würden es sehr zu schätzen wissen, wenn wir uns kurz mit Ihnen unterhalten könnten. Über einen alten Freund.«
    »Einen alten Freund?«
    Piero Balestro lächelte. Er sah Pallioti an, und seine hellblauen Augen strahlten dabei kalt und scharf aus dem breiten, leutseligen Gesicht.
    »Und wer soll das sein?«, fragte er. »Doch bestimmt nicht mein lieber Vetter Achilleo?«
    »Nein«, antwortete Pallioti. »Nicht Achilleo. Ein anderer Freund. Giovanni Trantemento.«
    »Giovanni Trantemento?« Piero Balestro stellte halbwegs glaubwürdig ein völliges Unverständnis zur Schau.
    »Vielleicht kennen Sie ihn unter einem anderen Namen«, half Pallioti ihm auf die Sprünge. »Als Giovanni Rossi. Oder als Il Corvo.«
    »Ach so!« Er lachte laut auf. »Il Corvo. Il Corvo, natürlich. Mein Waffenbruder! Wie geht es dem alten Knaben?«
    »Er ist tot.«
    Pallioti wartete eine Sekunde lang ab, dann erklärte er: »Er wurde an seiner Wohnungstür durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet. Ungefähr vor drei Wochen. Dasselbe widerfuhr noch jemandem, den Sie kennen. Roberto Roblino. Oder vielleicht kennen Sie ihn als Beppe? Giancarlo Menucci.«
    »Mein Gott! Wirklich? Sie sind beide tot?« Piero Balestro wirkte nicht sonderlich überrascht.
    Pallioti lächelte. »Ich hatte gehofft, dass Sie uns vielleicht behilflich sein könnten.«
    »Aber natürlich.« Piero Balestro breitete die Hände aus, als wollte er die Welt umarmen. »Natürlich«, sagte er, »werde ich die Polizei nach besten Kräften unterstützen.«
    Über ihnen klapperte und rasselte die Wetterfahne. Die Stille des Tages war zerbrochen. Zum ersten Mal seit der vergangenen Nacht war Wind aufgekommen. Er kam aus dem Norden und schmeckte kalt. Die Pferde hielten im Grasen inne und spitzten die Ohren. Eine Handvoll Stroh schlitterte über das Betonband vor den Ställen.
    »Vielleicht«, schlug Pallioti vor, »könnten wir uns irgendwo setzen?«

    Das Innere des Hauses sah aus, als wäre es in der vergangenen Woche komplett aus einem Katalog bestellt worden. Das Einzige, was nicht ins Bild passte, war ein eher räudig wirkender alter Spaniel, der sich in seinem Körbchen neben dem kalten Wohnzimmerkamin zusammengerollt hatte. Er öffnete ein Auge, als sie eintraten, schloss es aber sofort wieder und begann dann zu schnarchen.
    Während sich Pallioti in ein Chintzsofa sinken ließ, das so weich war, dass man unmöglich aufrecht darin sitzen konnte, begriff er, dass er sich von der Show bei den Ställen hatte irreführen lassen. Hier sollte nicht der preußische Kavallerieoffizier aufgeführt werden, sondern der englische Landedelmann. Das Bild wurde komplettiert durch den Auftritt der Magd, die Tee in einer großen Porzellankanne servierte. Sie stellte das Tablett bedächtig vor Piero Balestro auf dem Tisch ab und knickste dann dezent. Als sie den Raum verließ, zwinkerte Balestro Pallioti zu.
    »Ich habe sie aus Südafrika mitgebracht«, sagte er. »Eine Filipina. Sie lernen Sprachen wie nichts. « Er schnippte mit den Fingern. »Und sie sind so viel fleißiger als die Schwarzen.«
    Pallioti sah Eleanor Sachs nicht an. Stattdessen beugte er sich vor, als hätte er weder den Tee noch den Kommentar registriert, und begann: »Ich habe mich gefragt, Doktor Balestro, ob Sie mir erzählen können, wo Sie am ersten November waren?«
    Balestro sah ihn an.
    »Nur damit wir Sie von unseren Ermittlungen ausschließen können«, ergänzte Pallioti. »Selbstverständlich.«
    »Selbstverständlich.« Piero Balestro lächelte. Er hantierte mit den Teetassen und Untertassen herum. Die Hände, breit und kräftig wie der ganze Mann, waren das Einzige, was ihn verriet. Seine Finger waren nicht weniger knotig als die von Achilleo.
    »Darf ich?« Eleanor beugte sich vor und stellte eine Tasse auf eine Untertasse. Einen Moment lang lief eine Spur von Wärme durch Balestros Miene. Er fuhr sich mit

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