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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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»Der Reißverschluss war zugezogen.«
    »Munition?«
    »Eine Schachtel mit Patronen. Im Handschuhfach.«
    Pallioti nickte. Er sparte sich die Frage, welches Kaliber sie hatten. Er war überzeugt, dass mindestens eine von Balestros Waffen mit .22ern schoss, der am weitesten verbreiteten Munition der Welt. Dem gleichen Kaliber, das auch die Waffe neben seiner ausgestreckten Hand und die Kugel in seinem Kopf haben würden. Sie würden feststellen, dass er ständig Munition nachkaufte. Irgendwo im Haus würden mindestens noch eine und wahrscheinlich mehrere Schachteln mit Patronen liegen. Seine Handschuhe stammten wahrscheinlich aus demselben Laden, wenn es ein anständiges Geschäft für Jagdbedarf war.
    »Salz«, sagte er und sah dabei das Mädchen an.
    »Dottore?«
    »Ich möchte, dass Sie vor allem nach Salz suchen.« Er deutete zu dem Wagen hin. »Ob Sie irgendwo Spuren davon finden. In den Fußmatten oder den Sitzen. Irgendwo im Wagen. Das wäre besonders wichtig.«
    Sie nickte und gab sich Mühe, ihn nicht allzu verblüfft anzusehen. »Salz?«
    »Genau«, bestätigte Pallioti. »Salz.«

    Im Haus durchsuchte Enzo Saenz gerade Piero Balestros Schreibtisch. Er war wieder in Jeans; der Anzug, den er in letzter Zeit getragen hatte, gehörte offenbar der Vergangenheit an. Wenigstens heute. Mit gerunzelter Stirn und gesenktem Kopf, den Pferdeschwanz in den Kragen der Lederjacke gestopft, unter der sich das Schulterholster abzeichnete, sah er weniger nach einem Polizisten als nach einem nachdenklichen und besonders gründlichen Kriminellen aus. Nur die weißen Latexhandschuhe verrieten ihn.
    Pallioti trat in den Raum. Wieder hatte er dasselbe Gefühl wie am Nachmittag, als er in die Zufahrt eingebogen war. Das Haus sah genauso aus wie am Vortag, aber es hatte sich verändert. Er hatte das schon oft gespürt, wenn er in ein Haus getreten war, dessen Bewohner gerade gestorben war. Eine plötzliche Veränderung in der Luft. Ein Wandel der Moleküle. Als würden die Dinge schaler, dumpfer, kälter wirken, sobald sie den Status des persönlichen Besitzes verloren hatten.
    »Haben Sie was gefunden?«
    Enzo sah von seiner Arbeit auf.
    »Schwer zu sagen. Über diese Sache hier? Eigentlich nicht. Dafür ein paar merkwürdige Überweisungen, bei denen beträchtliche Summen von Kapstadt auf eine Bank auf den Cayman Islands verschoben wurden.«
    Pallioti musste an das blinzelnde Auge der Überwachungskamera denken, an das elektrische Tor, die Batterie von Schlössern an der Haustür.
    »Er fürchtete sich vor etwas. Oder jemandem.«
    Enzo nickte.
    »Also, wenn ich mir das alles ansehe, sagt mir mein Bauch, dass er vielleicht gute Gründe dafür hatte.«
    »Er erzählte etwas von ein paar ›Kliniken‹ in Südafrika. Er hat dort für ein Medizinunternehmen gearbeitet. Wenigstens anfangs.«
    Enzo zog einen weiteren Papierstapel unter der Rollklappe des Sekretärs heraus und blätterte ihn durch.
    »Und«, meinte er, »wenn man dazu bedenkt, dass ich das Hausmädchen gefragt habe, wieso sie ›Papa Balestro‹ nicht suchen gegangen ist oder die Polizei angerufen hat, wenn sie sich solche Sorgen um ihn gemacht hatte, und sie mir daraufhin erzählt hat, dass sie nicht aus dem Haus gehen oder telefonieren darf, dann …« Er verstummte. »Wir werden sehen. Ich möchte, dass sich die Steuerfahndung das hier ansieht. Vielleicht bringt es uns nicht weiter. Aber vielleicht sind sie uns dann einen Gefallen schuldig.«
    »Munition?«
    Enzo nickte. Er legte die Papiere beiseite.
    »Vier Schachteln oben in einer abgeschlossenen Schublade. Außerdem gibt es einen Safe. Er ist unter einem Kleiderschrank in den Boden eingelassen. Sehr professionell. Bis zum Abend haben wir ihn geöffnet. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass irgendwas für uns darin liegt. Die Waffenscheine habe ich auch gefunden«, ergänzte er. Er sah Pallioti an. »Alle sind ordnungsgemäß registriert«, erklärte er. »Die Flinte und die Kleingewehre. Die Pistole ist nicht verzeichnet. Andererseits hat er sie vielleicht nicht registrieren lassen, weil sie nur ein Erinnerungsstück war. Vielleicht hat er sie einfach irgendwo in einer Kiste aufbewahrt, als Souvenir aus seinen Heldentagen. Vielleicht hat er sie darum heute Morgen genommen.«
    »Sie glauben also, dass es sich so abgespielt hat?«
    Enzo blieb stumm. Er schaute auf die weißen Handschuhe an seinen Fingern, dann auf Pallioti. In der späten Nachmittagssonne wirkten seine Augen nicht braun, sondern ockerfarben,

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