Die Toten der Villa Triste
beinahe golden wie die eines Raubvogels oder einer Katze.
»Ganz ehrlich«, sagte er nach einer Weile, »nach dem, was Sie mir neulich Abend erzählt haben und was Guillermo mir berichtet hat, bevor ich losgefahren bin, glaube ich das durchaus. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Maestro. Ich glaube, Sie hatten von Anfang an recht. Als die Sache vor dem Theater schiefging, wurden die drei verhaftet, und einer von ihnen, wahrscheinlich Massimo, entdeckte ein Schlupfloch. Er scheint der Rädelsführer gewesen zu sein. Sie schlossen einen Handel mit den Faschisten und durften entkommen. Der Preis war das Funkgerät. Ich glaube, sie dachten, sie würden damit durchkommen, und um ehrlich zu sein …«, Enzo sah sich achselzuckend in dem weitläufigen Raum um, »… sieht es so aus, als wäre ihnen das auch lange gelungen. Aber irgendwann holt einen die Vergangenheit immer ein. Ich weiß nicht, ob es mit den Orden anfing oder schon davor – aber sie zerstritten sich. Vielleicht wollte einer von ihnen auspacken, weil sich sein Gewissen rührte, selbst wenn es dafür reichlich spät war. Wenn Sie mich fragen, waren es höchstwahrscheinlich die Orden. Wir wissen, dass Trantemento keinen bekommen wollte, aber ich wette, die beiden anderen wollten das sehr wohl. Vielleicht erklärt das die Geldscheine im Safe, wenigstens zum Teil. Wir wissen, dass Trantemento Roblinos Empfehlungsschreiben verfasste. Ich wette, das für Balestro stammt auch aus seiner Feder. Aber das ließ er sich bezahlen. Vielleicht hat einer die anderen erpresst. Oder sie erpressten sich alle gegenseitig. Oder in diesem Buch, von dem Massimo gesprochen hat, sollte etwas stehen, das den anderen nicht gepasst hat. Der Orden hätte ihm übrigens bestimmt geholfen, einen Verleger zu finden.«
»Haben Sie irgendwas von diesem Buch gefunden? Ein Manuskript?«
»Nichts«, bekannte Enzo. »Vielleicht taucht es noch irgendwo auf, vielleicht ist es wie die meisten Bücher ein Hirngespinst geblieben. Um die Wahrheit zu sagen«, sagte er, »wir werden wahrscheinlich nie erfahren, was sich zwischen den dreien abgespielt hat. Aber ja, ich glaube, Sie hatten im Großen und Ganzen recht. Massimo hat die beiden anderen umgebracht. Das erklärt auch, warum sie sich nicht gewehrt haben. Warum sie ihn in die Wohnung gelassen haben. Als Sie ihm dann am Samstag einen Besuch abgestattet haben, wusste er, dass es vorbei ist. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, hört er sich nicht nach jemandem an, der anderen die Entscheidung überlässt. Also hat er beschlossen, einen ehrenhaften Abgang hinzulegen. Oder einen feigen. Oder wie Sie es auch nennen wollen. Ich bin da ganz offen.« Enzo sah Pallioti an. »Natürlich«, ergänzte er, »müssen wir abwarten, bis die Pathologin mit ihm fertig ist. Aber wenn Sie mich fragen, was ich glaube …« Er nickte. »Das glaube ich.«
»Und Bruno Torricci?«
»Ein bigotter Drecksack, der nicht schreiben kann und sein Geld wahrscheinlich damit verdient, Zement für die Camorra anzurühren, der aber in dieser Sache ausnahmsweise die Wahrheit sagt. Er hat niemanden umgebracht.«
Pallioti nickte. »Und das Salz?«
Enzo verzog den Mund. »Die Pathologin glaubt, dass er es einfach in seine Tasche gefüllt hat. Wahrscheinlich hat sie recht. Die anderen? Dass er sie dazu zwang, es zu essen?« Er schüttelte den Kopf. »Wer weiß? Weil er ein wilder Hund war? Weil sich vor sechzig Jahren irgendwas zugetragen hat, irgendein ›Verrat‹, den er ihnen nie verziehen hat? Wahrscheinlich hockten sie zusammen auf einem Berg, und die anderen haben ihn seine Wurst nicht salzen lassen, und das hat er ihnen nie verziehen. Solche Menschen sind so«, sagte er. »Wenn sie wie Sie und ich wären, wenn ihr Verstand so arbeiten würde wie unserer, dann würden sie auch nicht durchs Land ziehen und andere Menschen erschießen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ganz ehrlich?«, sagte er dann. »Warum alle Salz essen mussten? Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, was es damit auf sich hat.« Er lächelte. »Das gehört mit zu den ersten Dingen, die Sie mir beigebracht haben. Wir können nicht alles wissen, Lorenzo.«
Pallioti nickte. Seine verdeckten Ermittler hatten begonnen, ihn Lorenzo zu nennen, nachdem er begonnen hatte, sie als seine Engel zu bezeichnen.
Jemand rief von oben. Enzo antwortete und entschuldigte sich dann.
Von der Tür zum Wohnzimmer aus beobachtete Pallioti, wie Enzo Saenz mit langen Schritten die Treppe hinaufeilte. Dann drehte er sich
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