Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
Vom Netzwerk:
Haarschopf auf ihrem Rücken glänzen. In mir brodelte eine Unruhe, die ich weder richtig einordnen noch erklären konnte. Zwei Soldaten drehten sich nach Issa um und verfolgten sie mit Blicken. Sofort wurde ich noch unruhiger. Ich schob mein Fahrrad an und hatte sie eingeholt, bevor sie in die Schluchten der schmalen Gassen hinter dem Bargello einbiegen konnte.
    Hier gab es in den Läden immer noch etwas zu kaufen. Offenkundig interessierten sich die Deutschen nicht für Tiegel mit gemahlenen Pigmenten, für Borstenpinsel oder Malmesser. Ich blieb vor einem Schaufenster stehen, studierte die Auslage und dachte gerade an meine Wasserfarben, die ich seit jenem Nachmittag auf der Terrasse nicht mehr angerührt hatte, als Issa sagte: »Cati, wir müssen das noch einmal machen.«
    Ich sah auf. Wie sie versprochen hatte, sah ich ihr Spiegelbild hinter mir. Unsere Blicke trafen sich im Glas.
    »Wie viele?«
    Ich konnte nur noch flüstern.
    Sie hob die ausgestreckten Finger einer Hand. Vier.
    »Wann?«
    Ihre Miene blieb völlig regungslos. Fast maskenhaft und damit vertraut und gleichzeitig vollkommen fremd. Sie hauchte nur zwei Wörter.
    »Heute Abend.«

    Wieder wechselten Il Corvo und ich kein Wort, während wir aus der Stadt hinausfuhren. Dieses Mal waren wir später unterwegs. Dank der roten Kreuze an den Türen kann der Krankenwagen auch nach Einbruch der Dunkelheit unbehelligt durch die Stadt fahren. Die Straßen waren so gut wie verlassen. Es hatte nochmals geschneit. Die Gehsteige sahen aus wie mit Puderzucker bestäubt, und hinter den Fensterläden konnte man schmale Lichtschlitze erkennen. Auf den Straßen waren kaum Automobile und gar keine Fußgänger zu sehen. Florenz war dazu übergegangen, sich nach Sonnenuntergang hinter verschlossenen Türen zu verschanzen wie ein von Kobolden und Wölfen heimgesuchtes mittelalterliches Dorf. Die ganze Stadt wandte furchtsam das Gesicht ab, während der Teufel durch die Straßen ritt.
    Wir passierten eine Schwarzhemden-Patrouille. Wir wurden nicht langsamer, aber ich spürte in der Dunkelheit, wie sich Il Corvo anspannte. Keiner von uns sprach es aus, aber ich glaube, wir hatten beide mehr Angst davor, von ihnen aufgehalten zu werden, als von den Deutschen.
    Diesmal sahen wir ein Automobil in der Gegenrichtung durch die Schranke fahren, als wir an die Straßensperre kamen. Der diensthabende Soldat beugte sich kurz ins Fenster, richtete sich dann wieder auf und salutierte elegant und scharf. Als der Wagen groß und schwarz an uns vorbei durch die Nacht rauschte, konnten wir auf dem Rücksitz die Schirmmützen zweier Offiziere ausmachen. Inzwischen sind die meisten großen Häuser hier oben auf dem Hügel beschlagnahmt worden. Die Villen, die vor Kurzem noch von amerikanischen Erbinnen und englischen Lords bevölkert wurden, beherbergen jetzt die deutsche Kommandantur. Vor gar nicht so langer Zeit wohnten dort Franzosen. Und davor die Österreicher. Wir sind schon länger besetzt, als uns bewusst ist. So wie es aussieht, kommen alle nach Florenz, um sich hier als Adlige zu gebärden. Der Soldat drehte sich zu uns um und winkte uns heran. Erst als er in den Strahl der Scheinwerfer trat, erkannte ich, dass es Dieter war. Ich stieg aus und überreichte ihm die Papiere, fast als wäre er ein alter Freund.
    Er freute sich, mich zu sehen. Er hatte sich sogar meinen Namen gemerkt und ließ mich zwar die Heckklappe öffnen, leuchtete aber nur kurz und flüchtig mit der Taschenlampe hinein. Vier Männer auf Tragen lagen darin.
    »Wir bringen noch mehr von ihnen nach Fiesole«, erklärte ich wieder in meinem radebrechenden Deutsch. »So viele wir können. Wir brauchen die Betten in der Stadt für die dringenden Fälle.«
    Dieter nickte. Dann entschuldigte er sich, dass er keine Zigaretten für uns hätte.
    Im Schuppen warteten Issa und Carlo schon auf uns. Diesmal waren sie nur zu zweit. Von Massimo und seinem winzigen Begleiter war nichts zu sehen, und wir holten die Männer schneller und leiser als beim ersten Mal aus dem Krankenwagen, um sie umzuziehen. Die Arbeit war schon fast zur Routine geworden. Diesmal stammten nicht alle Anziehsachen von Enrico, auch wenn ich einen Überzieher und ein Paar Handschuhe wiedererkannte. Issa hatte ihr Haar unter eine Kappe gesteckt und trug eine Männerwollhose und dazu einen schweren Überzieher mit Jacke. Wieder hängte Carlo ihr den Rucksack über, dann küsste sie mich mit nachtkalten Lippen auf die Wange und führte die Männer zu einer

Weitere Kostenlose Bücher