Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
ich mir nicht zweimal sagen. Welcher Mann konnte schon wollen, dass Traudl sauer wird? Ich bestimmt nicht. Wir aßen also schweigend weiter. Jupp war schneller fertig und schob das leere Holzbrett beiseite. Dann lehnte er sich zurück, rülpste vernehmlich und strich sich mit der Hand über den Bauch. „Das sollte bis zum Abendessen langen. Was hast du da eigentlich in dem Leinenbeutel neben dir?“ Jupp wies mit seinem Zeigefinger auf meine Einkäufe.
„Ich habe bei Paul Müntgen vorbeigeschaut und ein paar neue Schnitzmesser und Stechbeitel gekauft.“
„Aber nicht nur Werkzeug – oder?“ Jupps scharfer Blick hatte sofort erkannt, dass auch noch ein größerer Gegenstand im Beutel lag. Wortlos, noch kauend, schlu g ich den Deckel des Beutels zurück. Der Griff des Wurfmessers schaute heraus. „Was, in drei Teufels Namen, hast du denn da?“ Jupps Frage war nicht ernst gemeint, denn natürlich wusste er sofort, was ich gekauft hatte. „Darf ich mal sehen?“ , fragte er und zog, ohne meine Antwort abzuwarten , den Dolch heraus. Jupp stieß einen leisen Pfiff aus, als er das Messer in der Hand hielt, und begutachtete beinahe ehrfürchti g die Klinge. „Ich weiß ja, dass Müntgen s Sohn Peter in Mayen ordentliche Waffen schmiedet , aber das hier ist ein Kunstwerk. Das Messer muss ein kleines Vermögen gekostet haben.“
Ich versuchte, in einem möglichst beiläufigem Tonfall zu antworten. „Ach was, so teuer war das Messer gar nicht. Paul Müntgen ist mir mit einem großzügigen Sonderpreis entgegengekommen.“ Jupp unterbrach die Prüfung der Klinge und schaute mich misstrauisch an. „Sonderpreis? Eher findet man eine Jungfrau im Bordell als dass Müntgen auf Geld verzichtet. Halt, warte! Hat er dich etwa auf die Zielscheibe werfen lassen?“
Jetzt war ich es, der breit grinste. Ich nickte nur. Jupp starrte mich fassungslos an. „Er hat mit dir gewettet und dich werfen lassen? Und du hast getrof fen? Ich werd’ verrückt! Ich nickte erneut. „Aus welcher Entfernung? Sechs Fuß?“
„Nein, es waren wohl eher zwölf.“ Auch wen n ich sonst wenig von Prahlerei hielt, machte es mir doch Spaß, Jupp so fassungslos z u sehen. „Zwölf? Zwölf Fuß, und Müntgen musste dir einen Sonderpreis machen! Das heißt, du hast meh r als nur die Zielscheibe getroffen.“ Jupp s Augen leuchteten. „Meine Fresse – ich wusste, dass das einmal passieren wird. Was für ein Tag. Konrad!“ Er hob seinen Beche r und stieß mit mir an. „Trink aus, Junge, und dann schauen wir nach, o b unser Mörder noch im Loch steckt.“
11
Es war das erste Mal seit vielen Tagen, dass wir beide alleine reden konnten. Kein hastiges Austauschen von ein paar Sätzen, bevor Jupp irgendwohin musste, kein Geplauder im Beisein von Hildegard.
Jupp wies mit einer Hand auf meinen Beutel mit dem Werkzeug: „Also nimmst du Heinrichs Auftrag an, ja?“
Ich brummte zustimmend. Gestern beim Abendessen hatte ich Hildegard und Jupp von dem Kreuz erzählt.
Jupp lächelte: „Wenn sich Heinrich etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt er nicht so schnell auf. Wusstest du, dass wir mal zusammen als Söldner gedient haben?“
„Im Ernst? Wenn ich euch beide so anschaue, könntet ihr auch Brüder sein, und damit meine ich nicht nur eure zierliche Gestalt.“
Aus Jupps Lächeln war ein breites Grinsen geworden. „Bist ja auch nicht gerade schmächtig. Aber du hast schon recht, mit Hein rich im Rücken hatte ich immer das Gefühl, unbesiegbar zu sein. W ir waren damals 18, 19 Jahre alt und im Sold der Bassenheimer . Ich kenne keinen besseren Stockkämpfer als Heinrich. Mann, Konrad, ich sag dir, was Heinrich mit einem einfachen Eichenknüp pel anstellen konnte, geht auf keine Kuhhaut. Ich hab mit eigenen Augen gesehen, wie er drei, vier Angreifer ausgeschaltet hat. So schnell – die wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Die haben ge schaut, als hätte sie der Blitz beim Scheißen getroffen.“
Seit ich Pastor Heinrich näher kennen gelernt hatte, beschäftigte mich eine Frage – und Jupp schien Heinrich gut zu kennen. „Jupp, warum ist Heinrich denn jetzt Pastor und nicht beispielsweise Hauptmann im Dienst eines großzügigen Fürsten?“
Jupps Gesicht wurde ernst. „ Tja, das ist eine gute Frage. Damals – das ist jetzt fast 25 Jahre her, verließ Heinrich die Bassenheimer, schiffte sich Richtun g Süden ein und soll sogar über die Alpe n nach Italien gegangen sein. Ich hab dann viele Jahre nichts von ihm gehört. Ich lernte Hildegard
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