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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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einem Sprung nach vorne, um gleichzeitig mit gestrecktem Arm zuzustechen. Seit ich ihn direkt nach dem Frühstück abgeholt hatte, bestürmte er mich mit seinen Fragen. Johanna hatte in der Tür gestanden, als sich Thomas an seiner Mutter vorbeidrängte.
    „Fangen wir jetzt an, Konrad? Gehen wir zu dir rüber?“ Zum ersten Mal erlebte ich Thomas so lebhaft. Und während er bereits auf den Hof sprang, sah ich immer noch die Fragen in Johannas Gesicht.
    „Ich habe eine Idee, und Pastor Heinrich wird mir dabei helfen.“
    Das klang doch ganz vertrauenserweckend.
    „Danke, Konrad, für alles, was Ihr Euch überlegt habt. Und du, Thomas, sieh zu, dass du mit dem Mittagsläuten wieder zurück bist.“
    „Aber Mutter, ich bin doch kein Kind mehr.“
    „Nein, mein Sohn, das bist du nicht.“
    In den letzten Monaten hatte ich die beiden nie s o ruhig und gelöst miteinander reden gehört: kein Schimpfen, keine Vorwürfe, keine trotzigen Antworten. Johanna schloss die Hoftür hinter uns, und ic h legte Thomas den Arm um die Schultern und führte ihn auf die Hochstraße. Obwohl die Stadttore schon seit dem Mor gengrauen geöffnet waren, rumpelten immer noch Handkarren und Gespanne durch die tiefen Pfützen, die der Regen der letzten Tage zurückgelassen hatte. An vielen Stellen war die Straße ein einziger Morast. Die Fuhrleute trieben ihre Tiere an. Zum einen wollte n sie nicht stecken bleiben. Zum anderen wollte jeder seine Ware möglichst rasch zum Marktplatz scha ffen.
    In der ganzen Stadt herrschte an den Markttagen Zollfreiheit. Händler vom Niederrhein mussten zum Beispiel erst dann Zoll zahlen, wenn sie ihre W aren nach zwei Tagen immer noch nicht verkauft hatten. Die Stadtväter wollten so möglichst viele Händler anlocken. Jupp hatte mir einmal stöhnend alle Marktregeln aufgezählt, die er und die übrigen Stadtknechte zu überwachen hatten. Es waren mehr als ein Dutzend gewesen.
    Wir wichen den Wagen und Wasserlachen aus, sorgsam darauf bedacht, nicht allzu schlammig zu werden.
    Weit laufen mussten wir nicht. Linker Hand ragten die Türme der Kirche in den Himmel, zur Rechten erhob sich der mächtige, mehr als 160 Fuß hohe Wehrturm der Stadt. Maria hatte mir erzählt, dass die Andernacher den Bau des „Runden Turms“ vor vielen Jahren aus eigener Tasche bezahlt hatten. Ich schaute hoch. Das spitze, kronenförmige Dach des Turms ragte in den klaren Mor genhimmel. Unterhalb des Daches war weithin sichtbar in alle vier Himmelsrichtungen das Stadtwappen eingemeißelt. Wer weiß schon, wem die Andernacher damit imponieren wollten: ihrem Bischof, ihrem Kurfürsten im weit entfernten Köln?
    Das tiefe Hornsignal, mit dem der Turmwächter von der Galerie des Turmes ankommende Schiffe begrüßte, riss mich aus meinen Gedanken.
    Thomas plapperte noch immer und führte Scheinkämpfe mit unsichtbaren Feinden.
    Ich blieb kurz stehen. „Hör zu, Thomas, um alle deine Fragen zu beantworten: Du kannst weitaus mehr lernen, als nur, einem Feind das Messer abzunehmen. Aber es liegt an dir, ob dir das auc h gelingt. Leicht wird es nicht werden. Du wirst üben müssen, und ich bin mir nicht sicher, ob du das kannst oder wirklich willst.“
    „Natürlich will ich das, lass uns anfangen!“
    „Wenn es dir wirklich ernst ist, wirst du gleich einen der besten Kämpfer der Stadt kennenlernen. So, und nun hab etwas Geduld und komm weiter.“
    Thomas Gesicht sprach Bände, er hatte keine Ahnung, von wem ich sprach. Kurze Zeit später waren wir da. Ich hob den schweren Klopfer der Eichentür und betete im Stillen um Erfolg.
    „Was zum Henker wollen wir hier im Pfarrhaus, Konrad?“
    „Wart’s ab, Thomas!“
    Der Klopfer schlug dumpf gegen das alte Holz und dröhnte laut durch die Kirchgasse. Noch bevor ich ein zweites Mal klopfen musste, öffnete Heinrich die Tür.
    „Ah, da seid ihr ja. Dann mal herein mit euch beiden.“
    Heinrich trat zur Seite, und ich musste Thomas erst einen Stoß in den Rücken geben, damit er sich wieder bewegte. Zögernd und misstrauisch betrat er das Halbdunkel des Ganges. Heinrich führte uns geradewegs zur Hintertür, durch die man auf einen kleinen Innenhof kam. Der Hof mit vielleicht 25 Schritten Länge und Breite war von einer mehr als mannshohen Mauer umgeben, an der wilder Wein emporwuchs. In einer Ecke des Hofes lagen der Abort und ein kleiner Stall, in dem ich ein Schwein grunzen hörte. Zwei, drei Hühner scharrten herum und flogen auf, als wir den Hof betraten. Heinrich war noch einmal ins

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