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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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und nickte dann stumm. Ich stand daneben und fühlte mich in meinem eigenen Raum als Fremder.
    Johanna schaute zu Heinrich hoch. „Bitte, keine weiteren Scherze mehr. Ihr wisst so gut wie ich, wie leicht hier in Andernach das Gerede beginnt.“
    Erst jetzt schaute Johanna mich an. Steif, fast förmlich nickte sie mir zu: „Ich hoffe, um Thomas‘ willen, dass es einen Ausweg gibt. Und wenn es ihn gibt, dann werdet Ihr ihn finden, daran glaube ich fest.“ Mit diesen Worten schritt sie durch die Tür. Ich hatte noch nicht einmal Zeit für eine passende Antwort. Hinter mir hörte ich einen tiefen Seufzer. Heinrich zog sich einen Stuhl heran.
    „ Was für ein Weib!“
    Für einen Pfaffen ein bemerkenswertes Urteil, aber recht hatte er. Da ich nicht mit meinem Pastor über Frauen und schon gar nicht über einzelne Witwen sprechen wollte, fragte ich ihn nach dem Naheliegenden, das war sicherer.
    „Sagt einmal, habt Ihr noch ein Kreuz zu schnitzen, oder was gibt mir die Ehre Eures späten Besuches?“
    „Kreuz? Aber nein! Ich wollte Euch auf eine Partie Schach einladen, weil Ihr doch erwähntet, dass Ihr das Spiel beherrscht.“
    Erst jetzt fiel mir die Tasche auf, die Heinrich an seiner Seite trug. Er griff hinein und kramte eine schlichte, abgewetzte Holzkiste hervor. Ohne meine Zustimmung zum Spiel abzuwarten, öffnete er das Kistchen und nahm Spielbrett und Figuren heraus. Vorsichtig, beinah zärtlich, stellte er die einzelnen Figuren ins Licht der Laterne.
    Noch nie hatte ich so herrliche Schachfiguren gesehen. König und Königin waren so groß wie eine Hand. Ehrfürchtig griff ich nach dem schwarzen König. Schwer lag die Figur in meiner Hand. Unzählige kleine Einzelheiten waren in den Stein geschnitten: die Falten des Rockes, die Beschläge des Schildes, der kunstvoll geformte Knauf des Schwertes. Einlegearbeiten aus Silber hoben sich von dem tiefschwarzen Stein ab. Bei den weißen Figuren hatte der Künstler mattschimmerndes Gold verarbeitet.
    „Woher habt Ihr nur diese Figuren?“
    „Das, mein Lieber, ist eine lange und alte Geschichte.“
    „Sie müssen sehr wertvoll und alt sein, solche Figuren habe ich noch nie gesehen.“
    „Alt sind sie sicher. Wertvoll? Ja, wahrscheinlich sind sie auch wertvoll. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Für mich sind sie so wertvoll, weil sie das einzige sind, das mir aus meinem anderen Leben geblieben ist.“
    Das Polternd-Fröhliche war aus Heinrichs Stimme verschwunden. Zum ersten Mal klang er so alt, wie er wirklich war: ein Mann nahe der fünfzig, einer, der zu viel gekämpft hatte in seinem Leben und selbst überrascht war, noch immer zu leben.
    „Wisst Ihr was, Konrad, ich schlage Euch einen Handel vor.“ Das verschmitzte Lächeln kehrte in seine Augen zurück, als er mein Unbehagen sah.
    „Nein, nein, behaltet Eure Geheimnisse vorerst für Euch. Ich erzähle Euch, wie ich an diese Figuren kam, und Ihr berichtet mir, welche Sorgen Johanna quälen. Einmal abgesehen davon, dass Gregor, dieser Taugenichts, bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt.“
    „Warum denkt Ihr, Johanna habe Sorgen?“ Ich fragte mehr aus Neugierde, denn ich glaubte die Antwort zu kennen.
    „Man müsste schon mit Blindheit wie einst Barthimäus von Jericho geschlagen sein, um das nicht zu sehen. Nie würde Johanna abends in das Haus eines alleinstehenden Mannes gehen, wenn sie dafür nicht ernste Gründe hätte. Und ich weiß, dass sie Euch vertraut.“
    „War es das, was sie Euch zugeflüstert hat?“
    Heinrich nickte, ohne weitere Erklärungen zu geben.
    „Also gut, Heinrich.“
    Ich holte zwei Becher aus dem Regal und einen neuen Krug Wein, aus dem ich uns großzügig einschenkte. Einen Moment lang schwiegen wir beide, jeder in seine Gedanken versunken. Heinrich nahm seinen Becher als erster und leerte ihn in einem Zug.
    „Ah, gut! Von Wein scheint Ihr etwas zu verstehen. Fangen wir also an. Bevor ich aber ir gendetwas erzähle“, Heinrich streckte mir seine rechte Hand über den Tisch entgegen, “bevor ich irgendetwas erzähle, biete ich dir das „Du’ an.“
    Ich schlug ein. Heinrich hielt meine Hand fest. Mit sanftem Druck drehte er mein Handgelenk nach oben und blickte auf meinen Unterarm.
    „So gehört sich das nämlich unter Kameraden, die gekämpft haben. Und komm mir jetzt nicht wieder mit Ausreden. Solche Handgelenke, mein Lieber, und diese Muskeln da am Arm bekommt man nicht durch Kühemelken oder Feldarbeit. Nur wer viele Jahre lang tagtäglich zahllose Stunden

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