Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
auf meiner Haut hinterlassen hatten.
19
Seit Tagen hatten die Brüder von nichts anderem mehr geredet als von diesem Jahrmarkt. Natürlich stand Ver gnügen nicht auf der Tagesordnung des Klosters. Aber trotzdem würde jeder einzelne eine Gelegenheit finden, sich in der Stadt umzuschauen. Für ihn war es besonders leicht. Den Guardian traf er, wie er es erwartet hatte, auf dem Weg zum Speisesaal.
„Verzeiht, Bruder – auf ein Wort.“
Guardian Jacob Damer blieb stehen und blickte Bruder Georg freundlich an: „Sicher, Georg, was gibt es denn?“
„Nun, wie Ihr sicher wisst, werden Gewürz- und Kräuterkrämer zum Markt erwartet. Ich würde gern zwei, drei Dinge kaufen. Dafür, so scheint mir, hatte Bruder Nolden bereits Geld zurückgelegt. Zumindest fand ich in seinem Schrank Geld und eine entsprechende Notiz.“
Eine glatte Lüge, natürlich gab es kein Geld in Noldens Kammer, abe r das störte ihn nicht weiter. Gold hatt e er genug, und wenn er dafür ohne Verdach t seine Besorgungen machen konnte, sollte es ihm recht sein. Damer stutzte überrascht: „Bruder Nolden ha t Geld für Vorräte gespart?“ Unglaube spiegelte sich in seinem Gesicht. Dann aber siegte der Gedanke, dass er hier Vorräte bekam, ohne dafü r in die Schatulle des Konvents greifen zu müssen. Vielleicht hatte ein Andernacher Bürge r, ein Patient Noldens, dem Mitbruder Geld zugesteckt. Ja, so würde es wahrscheinlich gewesen sein. Bruder Nolden war immer sehr stolz auf sein e Apotheke gewesen. Sicher hätte er das alles noch rechtzeitig mit ihm besprochen.
Wohlwollend schaute der Guardian Bruder Georg an: „Nun, dann bitte ich Euch darum, kauft, was Ihr für nötig haltet.“ Er schlug ein kurzes Kreuzzeichen über Georg und machte sich dann auf den Weg zum Refektorium. Nach einigen Schritten siegte aber doch die Neugier. Damer blieb stehen und wandte sich noch einmal Bruder Georg zu: „Was wollt Ihr denn kaufen, Bruder Georg?“
Mit dieser Frage hatte er gerechnet. „Es fehlt neben anderem auch getrocknete Alraun-Wurzel.“
„Alraun-Wurzel? Grundgütiger, ist das denn nicht giftig?“
„Gift für den Unbedachten, Heilung für den Wissenden. Schon Pedanios Dioscurides schrieb ‚Die Wurzel fein zerrieben dient mit Honig oder Öl gegen Schlangenbisse, mit Wasser verheilt sie Drüsen und Tuberkeln, mit Graupen lindert sie auch Gelenkschmerzen‘.“
Einmal mehr war er froh über seine Monate bei dem alten Giftmischer in Sienna, der sich Apotheker nannte und ihn in die Geheimnisse der Gifte und tödlichen Tränke eingewiesen hatte. Schließlich aber war der Alte nutzlos geworden. Man fand ihn eines Tages mit aufgeschlitzter Kehle zwischen seinen schmutzigen Laken. Sein damaliger Lehrling blieb von Stund an spurlos verschwunden. Sienna war für ihn auch nur eine weitere Stufe auf dem W eg zur Meisterwürde gewesen.
Jacob Damer nickte beifällig, drehte sich um und setzte seinen Weg fort. „Welches Glück für die Brüder“, dachte er zufrieden, „dass sie mit Bruder Geo rg einen so gebildeten Mann in ihrer Mitte haben.“
Der Meister aber nutzte die kommenden Tage, um sich weiter in der Stadt umzusehen. Er kaufte tatsächlich bei einigen Kräuterkrämern ein. Es stimmte schon: Gift für den Unbedachten, Heilung für den Wissenden. Nur heilen würde er wohl kaum.
Am ersten Markttag dann wurde er Zeuge eines bemerkenswerten Zusammenstoßes.
Er lehnte gerade an einer Hausmauer im Halbschatten und kaute auf einem Stück Hartkäse. Den ganzen Vormittag über war er Josef Schmittges und seinem Begleiter gefolgt. Schmittges war derjenige, der Grevenraths Leiche untersucht hatte, so viel wusste er bereits. Kreuzer war nach dem Streit im Hirsch das ideale Opferlamm gewesen. Sollte es Zweifel an seiner Schuld geben, könnte er Kreuzer immer noch den Siegelring Grevenraths unterschieben. Nötig war das wohl nicht – wie er gehört hatte, war der Verdächtige in ein Verlies des Stadtturms geworfen worden. Im Gespräch mit einem durstigen Stadtknecht hatte er erfahren, dass dieser Schmittges nicht auf den Kopf gefallen sei und Kreuzer sogar besucht hatte. Das alles sorgte ihn nicht. Er war der Meister. Wenn es sein musste, würde er diesen Schmittges und seine Frau besuchen. Seit Wochen hatte er keine Frau mehr gehabt. Schmittges Alte sollte ein ganz hübsches Ding sein, und er wusste, was viele Frauen angesichts einer scharfen Klinge zu tun bereit waren. Er leckte sich gierig die Lippen, als Gejohle von einem der Tische seine
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