Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Bild so sehr. Es gibt mir Hoffnung.»
Sie ging zu Mehran zurück. Ihre Augen glänzten von der Erinnerung.
«Hoffnung, dass die Dinge manchmal besser sein können, als man gedacht hätte», fuhr sie fort. «Dass sich unsere Befürchtungen nicht immer bestätigen müssen. Das hoffe ich immer noch.»
«Aber du weißt, dass Melika gelogen hat, oder? Über Joseph», fügte er hinzu.
Shibeka nickte.
«Vielleicht hat sie dann auch in anderen Fragen gelogen?», fuhr er fort. «Wie beispielsweise bei der Sache mit dem Laden?»
«Vielleicht. Aber was sollen wir machen, Mehran?»
«Ich werde mit ihr sprechen. Und diesmal lasse ich sie nicht so leicht davonkommen.»
Mehran wusste, was er zu tun hatte. Er würde seine neue Stimme benutzen, um die Wahrheit herauszufinden. Wahrscheinlich hatte Allah sie ihm deshalb gegeben. Nicht, um sich vor Memel und den anderen behaupten zu können, wie er zunächst gedacht hatte, sondern wegen etwas viel Schwererem.
Etwas viel Wichtigerem.
Shibeka sah ihn an, und nach einer Weile nickte sie.
So sollte es sein.
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D iesmal musste Vanja mehr als eine halbe Stunde vor dem Haus in der Västmannagatan warten, ehe ein Paar mittleren Alters Arm in Arm daherspazierte, anhielt, den Türcode eingab und im Eingang verschwand. Vanja trat schnell heran und schlüpfte hinter den beiden ins Haus. Sie beäugten Vanja misstrauisch, als sie an ihnen vorbeiging, während sie auf den Aufzug warteten. Doch weder der Mann noch die Frau sagten etwas, sie folgten ihr nur mit dem Blick, als wollten sie sich Vanja einprägen, falls sie später einmal als Zeugen aussagen müssten. Schnell lief sie in den dritten Stock hinauf. Vermutlich war es eine dumme Idee, aber sie musste es wissen.
Sie war nicht lange bei Sebastian geblieben. Hatte geweint, all ihren Kummer herausgelassen. Er hatte sie umarmt, hatte mit ihr im Flur gestanden, bis sie sich beruhigt hatte, hatte ihr angeboten, noch zu bleiben – er briet gerade Frikadellen –, aber sie hatte abgelehnt. Sie musste allein sein, überdenken, was er gesagt hatte und was sie wusste. Sie hätte ihm zu gern geglaubt, merkte aber, dass sie es nicht ohne weiteres konnte. Er verhielt sich zwar plötzlich anders und hatte sich gebessert, aber er war immer noch Sebastian. Er war gerissen und skrupellos und nahm es mit der Moral nicht so genau – alles Eigenschaften, die sie noch vor einigen Stunden für ausgesprochen hilfreich gehalten hatte, um Ellinor Bergkvist auf die Spur zu kommen. Nun sprachen sie gegen ihn. Deshalb stieg sie nun wieder die Treppen in der Västmannagatan hinauf. Um die Wahrheit herauszufinden. Um Sebastian als den Freund behalten zu können, den sie so dringend brauchte.
Sie klingelte bei Ellinor Bergkvist. Es war fast Mitternacht, aber das war ihr egal. Sie klingelte noch einmal. Behielt den Daumen auf der Klingel. Ausdauernd. Dann sah sie, wie sich hinter dem Spion etwas bewegte, und kurz darauf wurde ein Schlüssel im Schloss herumgedreht und die Tür so weit geöffnet, wie es die Sicherheitskette zuließ.
«Hallo, ich heiße Magdalena», behauptete Vanja. «Ich würde mit Ihnen gern ein bisschen über Sebastian Bergman reden.»
«Was ist denn mit ihm?», fragte Ellinor mit einer Stimme, die Skepsis, Freude und Besorgnis zugleich verriet.
«Kann ich kurz hereinkommen?»
«Nein.»
Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, schob sie die Tür so weit zu, dass nur noch ein schmaler Spalt blieb, durch den sie mit einem Auge hindurchspähte.
«Was ist denn mit Sebastian?», wiederholte sie.
Vanja erklärte, sie sei Polizistin und hoffte inständig, dass Ellinor sie nicht bitten würde, ihren Dienstausweis zu zeigen. Das tat sie glücklicherweise nicht, also fuhr Vanja fort, dass eine laufende Ermittlung der Wirtschaftskriminalpolizei auf Sebastians Spur geführt habe und er jetzt eventuell in Schwierigkeiten stecke. Der kleine Ausschnitt, den sie im Türspalt von Ellinors Gesicht sehen konnte, wirkte bestürzt. Daktea, Trolle Hermansson, die Tatsache, dass er tot sei und die Informationen von einer Person überbracht worden seien, die in enger Beziehung zu Sebastian stand – aus all diesen Gründen sei die Polizei gezwungen, mehr über Sebastians Rolle in der Angelegenheit zu erfahren, erklärte Vanja. Es sei eben ein komplizierter Fall, und wenn Kollegen in Ermittlungen auftauchten, sei es Routine, sie ein wenig näher zu untersuchen. Ellinor nickte ernst und sagte, sie verstehe das, und Vanja war ein wenig von
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