Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Ergebnisse sie erzielt hatten oder zu erzielen hofften. Leider gab es deprimierend wenig zu besprechen.
Zunächst berichtete Torkel, dass er am Vormittag Hedvig Hedman in Östersund angerufen hatte und die Identität der niederländischen Wanderer nun zweifelsfrei bestätigt worden war. Es war gängige Praxis, dass die Reichsmordkommission die Polizei vor Ort, die um ihre Hilfe gebeten hatte, teilweise über die laufende Ermittlung informierte. Mit Betonung auf teilweise. Es war wichtig, dass die Kollegen vor Ort immer noch das Gefühl hatten, am Fall beteiligt zu sein, aber noch viel wichtiger war es, dass die Reichsmordkommission die Informationsflut weiterhin im Griff hatte. Deshalb erzählte Torkel nichts von ihrer Theorie, dass die Holländer sich nur zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten hatten. Auch von der Kamera oder davon, wie die Ermittlung ansonsten voranschritt, erwähnte er kein Wort.
Zum Glück, musste man sagen.
Auf der Internetseite des Expressen war Torkel – keineswegs zu seinem Erstaunen, wie er zugeben musste – schon am Nachmittag eine ganze Seite mit der Überschrift «TOD IM TRAUMURLAUB» entgegengesprungen. In der Einleitung war zu lesen, dass die Reichsmordkommission nun hundertprozentig sicher sei, was die Identität zweier der sechs Leichen im Massengrab im Fjäll betraf. Man habe Jan und Framke Bakker aus Rotterdam gefunden. Der Artikel enthielt auch ein Bild der Bakkers sowie einen sehr rührseligen Text darüber, wie sehr sie sich auf die Woche im schwedischen Gebirge gefreut hätten, sowie ein kurzes Interview mit einem Freund, der dankbar war, nun endlich Gewissheit über den Verbleib des Paares zu haben. Der Artikel endete mit einem Informationskasten zum «Fjäll-Grab», wie man den Fall in den Zeitungen offenbar nannte.
Wenn Torkel vorher noch Zweifel gehegt hatte, dann war er jetzt sicher. Hedman und die Polizei in Östersund zu informieren war im Prinzip dasselbe, wie eine Pressemitteilung herauszuschicken. Er schloss seine Zusammenfassung im Konferenzraum mit dem erneuten Hinweis darauf, dass er, und nur er, den Kontakt mit der Presse halten würde.
Das Team nickte nur.
Es war also alles wie immer.
Jennifer war als Nächste an der Reihe zu berichten, was sie den Tag über getan hatte. Viel Arbeit, keine Ergebnisse – das fasste wohl am besten ihre Bemühungen zusammen, über alle nur denkbaren internationalen Register auf eine Familie zu stoßen, die mit den noch nicht identifizierten Leichen im Fjäll identisch sein konnte. Diejenigen Familien, die sie fand, hatten sie entweder schon auf ihrer Liste, oder Jennifer konnte sie selbst mit einem relativ geringen Arbeitsaufwand ausschließen, da die Rechtsmedizin in Umeå ihnen das ungefähre Alter und eine relativ verlässliche Größenangabe sämtlicher Leichen aus dem Fjäll gegeben hatte. Was thematisch schließlich zu Ursulas Arbeit führte, die das Wort jedoch sofort an Billy weitergab.
Am Morgen hatte er sich als Erstes mit der Kamera beschäftigt, die sie im Gepäck der Holländer gefunden hatten. Es gelang ihm, ein passendes Kabel zu finden, aber die Kamera wollte trotzdem nicht laden. Sie hatte vermutlich zu lange in der Erde gelegen. Nicht ganz unerwartet waren neun Jahre im Boden mehr gewesen, als sie verkraften konnte, obwohl sie in Plastik eingewickelt und von einem schützenden Rucksack umgeben gewesen war. Also konzentrierte er sich stattdessen auf die Speicherkarte, sah aber ziemlich bald ein, dass er sie nicht aus der Kamera herausbekommen würde, ohne sie zu zerstören. Er bat Ursula um Rat, aber sie stimmte ihm zu. Also schickte sie die Kamera per Kurier an das Staatliche Kriminaltechnische Labor in Linköping mit dem Hinweis, dass es sehr eilte. Am Nachmittag rief Ursula ihre ehemaligen Kollegen an, teils, um sich zu erkundigen, ob die Kamera gut angekommen war, und teils, um noch einmal die Dringlichkeit dieses Auftrags zu betonen. Sie erfuhr, dass man sich sofort um die Kamera gekümmert hatte und die Chancen gut stünden. Die Bilder dürften ihnen spätestens am Montag vorliegen.
Torkel nickte anerkennend. Das war immerhin etwas, das die Hoffnung übers Wochenende am Leben hielt. Ursula fügte noch hinzu, dass sie recht gehabt hatte, was Fingerabdrücke auf den Rucksäcken betraf, die Harald Olofsson hatte verbrennen wollen: Es gab keine mehr. Man war immer noch dabei, die Kleidung zu untersuchen, und hatte einige Haarsträhnen gefunden, die man mit den Leichen in Umeå abgleichen
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