Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
geahnt, dass ein Teil des Geldes aus einer anderen, fragwürdigeren Tätigkeit stammte? Er wusste es nicht. Darüber hatten sie nie gesprochen. Ihrer jetzigen Miene nach zu urteilen kam die Anklage völlig überraschend für sie, doch gleichzeitig schien sie nicht an seiner Schuld zu zweifeln. Und sie schien fest entschlossen, Valdemar nicht anzusehen. Das tat weh, aber er hatte es sich selbst zuzuschreiben. Für seine Frau und seine Tochter war dies ein harter Schlag, und sie waren, im Gegensatz zu ihm, völlig unschuldig. Kein Wunder, dass sie sich von ihm distanzierten. Es würde ein langer Weg für ihn werden, bis er ihr Vertrauen und ihre Zuneigung wiedererlangt hatte. Vielleicht ein zu langer.
Dennoch verstand er noch immer nicht, wie er eigentlich hier gelandet war. Auf seine Unkenntnis konnte er es nicht schieben. Er hatte durchaus begriffen, dass das, was Daktea da tat, und das, worum sie ihn baten, nicht legal war. Aber er hatte das Ausmaß nicht erkannt. Erst, als alles aufflog, sah er die Reichweite dessen, in das er hineingeraten war. Aber er wusste auch, dass sie sehr geschickt waren. Dass sie, mit seiner Hilfe, ein solides Konstrukt aus falschen Spuren und einer unendlichen Zahl von schwer nachvollziehbaren Transaktionen aufgebaut hatten. Je mehr Zeit vergangen war, desto sicherer hatte er sich gefühlt. Er war nur ein kleines Rad in der großen Maschinerie gewesen. Warum sollten sie ihn ausgerechnet jetzt überführen?
Wennberg beendete die Verlesung der Anklageschrift, und der Richter fragte Valdemar, ob er sich schuldig oder nicht schuldig bekenne. Valdemar warf einen kurzen Blick zu Karin, die ihm schwach zunickte. Sie hatte ihm klargemacht, was er sagen sollte, auch wenn es gelogen war.
«Nicht schuldig», antwortete er.
Anschließend ging die Verhandlung noch etwa eine Stunde weiter. Karin tat ihr Bestes, um die Argumentation der Anklage zu entkräften, doch Valdemar hatte keine große Hoffnung, dass es ihr gelingen würde. Und so war es auch. Als der Richter das Wort ergriff, kam der Beschluss wie erwartet. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen, da der dringende Tatverdacht der schweren Wirtschaftskriminalität bestand. Der Staatsanwalt beantragte, alle Restriktionen beizubehalten, und dem wurde zugestimmt. Die Verhandlung war beendet.
Anna stand sofort auf und verließ den Saal als Erste. Valdemar glaubte zu sehen, wie sie mit den Tränen kämpfte. Das war das Schlimmste. Nicht die Erniedrigung, nicht das Eingesperrtsein, nicht die bevorstehende Strafe, sondern der Schaden, den er seinen Nächsten zufügte. Das war kaum auszuhalten. Er hatte gehofft, noch einige Worte mit Anna wechseln zu können. Nun bat er Karin, ihr auszurichten, dass sie Vanja auf keinen Fall erzählen durfte, wie die Verhandlung ausgegangen war. Karin versprach, die Botschaft zu übermitteln.
Sie hatten sich verabschiedet, und Valdemar war in seine Zelle zurückgebracht worden. Hatte sich auf seine Pritsche gelegt, weil es sonst nichts zu tun gab. Nach einiger Zeit hatte sein Rücken wieder zu schmerzen begonnen. Es lag nicht daran, dass er so lange in derselben Position gelegen hatte, aber er drehte sich trotzdem ein wenig zur Seite. Es half nicht. Er bat um schmerzstillende Medikamente und bekam sie. Hatte keinen Appetit, als das Abendessen kam, verlangte nach mehr Schmerztabletten und erhielt sie. Jetzt lag er in seiner Zelle, starrte an die Decke und versuchte, an etwas anderes zu denken als an den langsam abklingenden Schmerz. Doch seine Gedanken kehrten immer wieder zu Anna und Vanja zurück, und das war gewissermaßen noch schmerzvoller. Etwas angestrengt erhob er sich und ging zu der Toilette, die in seiner Zelle stand. Er zog die Hose herunter, die keinen Hosenstall hatte, und pinkelte.
Spielte das Licht ihm einen Streich? Nachdem er fertig war, beugte er sich hinab. Drehte den Kopf ein wenig zur Seite, damit das Licht der Deckenlampe auch in die Toilettenschüssel fiel.
Der Urin war rot.
Blutrot.
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S ie brachen auf.
Torkel hatte alle in den Konferenzraum gebeten, um eine letzte Besprechung vor dem Wochenende abzuhalten. Sechs Stühle auf einem graugrünen Teppich rings um einen ovalen Tisch. An der einen Wand hing das Whiteboard, auf dem Billy mit Hilfe des in Storulvån zusammengetragenen Materials noch einmal den Zeitverlauf rekonstruiert hatte. Im Raum war es still. Sie wollten die Fortschritte der letzten Tage diskutieren, berichten, woran sie gearbeitet und welche
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