Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
gemacht, nachdem die Handwerker bei ihm geklingelt hatten. Am Sonntag koste es mehr, sie zu bestellen, hatte Sebastian erläutert, aber dann kämen sie wenigstens zum vereinbarten Zeitpunkt. Er wollte sich einen Spion in die Tür einbauen lassen. Für tausendachthundertfünfzig Kronen.
Während sie so dahinschlenderten, redeten sie über alles Mögliche. Sie fand es entspannend, mit jemandem zu sprechen, dem gegenüber sie ehrlich sein konnte. Der alles über Micke und sie wusste. Bei dem sie nicht vor jedem Satz, den sie sagte, genau nachdenken musste.
Sie waren kurz auf die Ermittlung zu sprechen gekommen, aber Sebastian war nicht sonderlich an dem Fall interessiert. Jedenfalls nicht in diesem frühen Stadium. Skelette, Rucksäcke und Passagierlisten reizten ihn nicht. Die Amerikanerin, die auf irgendeine Weise in die Morde verwickelt war, war für ihn interessant. Aber auch sie war tot.
Er brauchte Menschen. Lebende Menschen. Verletzte, verwirrte, verrückte. Menschen, deren Vorstellung von der Wirklichkeit und deren Weltbild sein eigenes herausforderte. Mit einer Psyche, die man nur verstehen konnte, wenn man sich anstrengte. Menschen, die andere als «böse» bezeichneten, um es sich leichtzumachen. In solchen Fällen engagierte er sich gern, aber bis so ein Mensch auftauchte …
Zuletzt landeten sie in einer Billardkneipe in Södermalm. Spielten irgendeine Variante von 8-Ball, mit selbsterfundenen Regeln. Drei von vier Runden gewann Ursula. Sie war überrascht, als sie ihn anschließend an der Bar auf ein Bier einladen wollte, er aber nur eine Cola bestellte. Als sie damals zusammen gewesen waren, hatte er Alkohol getrunken. Nicht in besorgniserregenden Mengen, aber wenn es ihm angeboten wurde, hatte er nicht nein gesagt. Sie überlegte noch einmal, was eigentlich mit ihm passiert war.
«Was hast du geträumt?», fragte sie plötzlich. «Als wir im Fjäll waren …»
Er sah sie verwundert über den Tisch hinweg an. Sie begegnete seinem Blick, ohne sich anmerken zu lassen, was sie dachte. Sebastian konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Wenn er erstaunt gewesen war, als sie am Donnerstagabend bei ihm auftauchte, war das nichts gegen seine Überraschung, als sie am Tag darauf erneut zu ihm gekommen und noch dazu über Nacht geblieben war. Und jetzt, am Sonntag, dieser Rückblick auf die Woche in Storulvån, im beiläufigen Plauderton. Weder ihr Blick noch ihr Tonfall verrieten, was sie dachte – ganz im Gegensatz zu ihrer Frage. Sie war der Meinung, dass ihre kurze Begegnung im Restaurant des Fjäll-Hotels etwas war, auf das man durchaus zurückkommen konnte.
Sie war neugierig.
Auf ihn.
Hinzu kamen die Besuche in seiner Wohnung. Zwei Abende, zwar ohne Sex, aber dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – hatte Sebastian das Gefühl, dass sie langsam zu einer Nähe zurückfanden, ähnlich der, die sie damals füreinander empfunden hatten, bevor sie erfahren hatte, dass er mit ihrer Schwester ins Bett gegangen war.
Es war ein gutes Gefühl, aber er fragte sich dennoch, warum sie sich so verhielt.
Ursula hatte deutlich gemacht, dass sie ihm nie verzeihen würde, was also hatte sie vor? Sicher stand sie wegen der Scheidung unter emotionalem Stress, aber dennoch. Trieb sie ein Spiel mit ihm? War es ein Schritt in Richtung einer raffinierten Racheaktion? Hatte sie vor, ihn zu verletzen? Was auch immer es war, jedenfalls war es spannend. Das Interessanteste, was bisher während dieser gesamten, aussichtslosen Ermittlung passiert war.
«Warum willst du das wissen?», fragte er.
«Du hast gesagt, du würdest es mir irgendwann erzählen.»
«Ich weiß, aber warum willst du es wissen?»
Ursula hob die Bierflasche und nahm einen Schluck. Er beobachtete sie. Glaubte zu wissen, dass sie gerade über eine passende Formulierung nachdachte. Mit der simplen Antwort, dass sie neugierig war, würde sie bei ihm nichts erreichen, das wusste sie. Sie musste ehrlich sein, ihn herausfordern oder eine These präsentieren, die zu widerlegen er gezwungen war.
«Als du ins Restaurant kamst und nicht wusstest, dass ich da war und dich sehen konnte …»
«Ja?», fragte Sebastian beinahe erwartungsvoll, als sie verstummte. Es wirkte so, als wollte sie aufrichtig zu ihm sein. Sie schien ihre Worte mit Bedacht zu wählen.
«Da sahst du aus wie jemand, der alles verloren hat», sagte sie dann. «Ein Mann, dem nichts mehr geblieben ist.»
Sebastian antwortete nicht direkt. Ihre Worte waren wohlformuliert. An und für
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