Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
weit kommen.
Sie hatten Plätze auf der Längsseite des Stadions, nahe am Spielfeld. Benke hatte dieses Jahr Saisonkarten ergattert. Das hatte er auch in den Jahren davor versprochen, aber erst in diesem Jahr war es ihm tatsächlich gelungen. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt, und es war ein gutes Spiel, aber Lennart musste die ganze Zeit an das denken, was Anitha erzählt hatte. Jetzt hatte er zumindest einen Namen, eine konkrete Person, die er unter die Lupe nehmen konnte. Vielleicht war es noch einen Versuch wert. Sobald er nach Hause käme, würde er ein bisschen recherchieren.
Sigurdsson schoss fünf Minuten vor Ablauf der Spielzeit ein geniales Tor, und das Stadion explodierte fast vor Freude. Hammarby gewann, und Lennart stimmte in das Freudengegröle der anderen mit ein.
Anschließend gelang es Stig, ihn zu überreden, noch ein paar Bier mit ihnen zu trinken. Jetzt sei es sowieso schon zu spät zum Arbeiten, behauptete er entschieden, und Lennart ließ sich auf einen Kompromiss ein: zwei Bier, aber dann musste er nach Hause.
Am Ende waren es acht, plus einige Schnäpse, aber die grölenden Freunde und der Alkohol waren verlockender als die Pflicht. Lennart kam noch mit auf eine private Fan-Party in der Nähe vom Zinkensdamm, wo es ihm wider alle Erwartung gelang, nicht zu rauchen, aber das war nicht unbedingt sein Verdienst. Er stand mit einer noch nicht angezündeten Zigarette auf dem Balkon eines Menschen, den er kaum kannte, als Benke ihn entdeckte und ihm in einem Ringkampf die Kippe entwinden wollte. Es war ein Spaß, aber sie waren beide so betrunken, dass Lennart sich im Gerangel an einem zersplitterten Bierglas schnitt. Stig kam hinzu, brachte sie auseinander und wickelte Lennarts Hand in ein weiches Handtuch. Dann lagen sie sich eine Weile schluchzend damit in den Ohren, wie sehr sie sich liebhatten, auch wenn sie sich das in nüchternem Zustand nie sagen würden. Gegen drei kam die Polizei und beendete die Party. Gegen halb fünf war Lennart zu Hause und sank ins Bett. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er an diesem Tag dringend irgendetwas erledigen wollte.
Aber er wusste nicht mehr genau, worum es ging.
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A ls das Team sich am Montag wieder zusammenfand, stellten sie fest, dass in der Zwischenzeit eigentlich nichts passiert war.
Man hatte die vorläufigen Ergebnisse der DNA-Tests von den Angehörigen der vermissten Familien. Die des Vaters von Frau Thorilsen, die mit ihrer Familie in der Nähe von Trondheim verschwunden war. Einer Schwester der Mutter von Familie Hagberg aus Gävle und eines Bruders des Vaters der Familie Cederkvist, die vermutlich im Indischen Ozean ertrunken war. Keines der Ergebnisse passte zu der DNA der Familie aus dem Grab im Fjäll. Eine große Enttäuschung war das nicht unbedingt, sie hatten es bereits geahnt, und alles, was man definitiv abschreiben konnte, ließ ihnen wenigstens Zeit für anderes.
Billy saß an seinem Schreibtisch, als sein Computer einen Ton von sich gab. Das SKL hatte jene Bilder von der Speicherkarte, die es hatte retten können, in einer Datei komprimiert, die er nun herunterladen konnte. Billy speicherte die Fotos auf seinem Rechner und begann, sie durchzusehen. Er vermutete, dass sie in der Zeit von Frühlingsanbruch bis zum Tod der Bakkers entstanden waren. Die Geburtstagsfeier eines Mädchens, das wahrscheinlich nicht ihre eigene Tochter war, sondern die ihrer Bekannten, da sie anschließend nicht mehr auftauchte. Weitere Fotos von Fahrradtouren, Partys, Ausflügen ans Meer, Spaziergängen, Fußballspielen. Fröhliche, lachende Menschen. Das ein oder andere Bild aus Innenräumen, die eigentlich nur das Zuhause der Bakkers sein konnten. Alltag.
Die letzten siebenunddreißig waren die interessantesten. Eines war am Flughafen von Trondheim aufgenommen worden. Framke stand mit ihrem Rucksack vor dem Terminalgebäude und lächelte in die Kamera. Auf dem nächsten Bild waren sie draußen im Fjäll. Diesmal war Jan an der Reihe, zu posieren und auf die Berggipfel zu deuten, als wollte er zeigen, wohin sie unterwegs waren. Dann folgten Bilder von Rasten, Übernachtungen und Orten, an denen sie auf ihrer Wanderung vorbeikamen. Billy traf eine Auswahl und druckte alle Bilder vom Fjäll aus, und während der Drucker arbeitete, setzte er seine Hoffnung auf die letzten Bilder.
Framke, die gerade das Zelt abbaute.
Beim Durchwaten einer Furt.
Rentiere an einem Hang.
Der Eingang zu einem Tal, im Vordergrund Jan,
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