Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
sich keine Provokation, aber definitiv auch nichts, was er widerlegen konnte. Ehrlich und leider allzu wahr.
«Eines Tages werde ich es dir erzählen», erwiderte er leise. «Auf keinen Fall hier und vermutlich nicht heute Abend, aber irgendwann. Versprochen.»
Ursula nickte sanft. Sein Tonfall und seine Augen verrieten, dass sie nicht falschgelegen hatte. Es war nachvollziehbar, dass er es ihr nicht auf einem Barhocker sitzend erzählen wollte, während im Hintergrund irgendein alter Eurythmics-Song lief.
«Ich hoffe, bald», sagte sie nur.
Anschließend waren sie nicht mehr darauf zurückgekommen.
Als sie wieder in seine Wohnung zurückkehrten, hatten die Handwerker ihre Arbeit bereits beendet, und mitten in der Tür saß ein Spion. Sie kochten ein frühes Abendessen und machten es sich anschließend auf dem Sofa bequem. Sebastian konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal mit jemandem auf dem Sofa gesessen hatte, die Füße auf dem Couchtisch, und sich hatte berieseln lassen. Wahrscheinlich war es zusammen mit Lily gewesen.
«Darf ich heute Nacht hierbleiben?», fragte Ursula, als sie sich nach der Fernbedienung streckte, um von der Werbung wegzuzappen, die gerade das Programm unterbrochen hatte.
«Natürlich.»
«Dann tue ich das.»
Jetzt konzentrierte sie sich auf irgendein Survivaltraining-Programm im Discovery Channel. Sebastian schielte unauffällig zu ihr hinüber. Die Gedanken von vorhin kamen zurück.
Was tat sie da eigentlich?
War es ein Spiel? Oder Rache?
Er wusste es nicht. Und noch wichtiger: Es war ihm schnurzegal.
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L ennart war auf dem Weg zum Söder-Stadion. Zusammen mit Benke und Stig stand er in einem U-Bahn-Wagen voll mit Hammarby-Fans, als Anitha anrief. Heute würden sie gegen Brage spielen, und er konnte Anitha im Geschrei der Fans kaum hören. Er musste sich ans andere Ende des Waggons durchquetschen und das Telefon gegen sein Ohr pressen, um auch nur ansatzweise zu verstehen, was sie sagte. Sie sprach hastig und schien irgendetwas herausgefunden zu haben. Viel war es nicht, aber immerhin etwas. Ein Name. Adam Cederkvist. Er hatte bei der Säpo im Jahr 2003 den Fall mit den beiden verschollenen Afghanen übernommen. Das war alles, was sie wusste. Den Rest des Gesprächs lag sie ihm damit in den Ohren, dass sie ihm den Beleg für ein Essen im Mälarpaviljongen schicken wollte, von dem sie erwartete, dass er es übernahm, und dass sie ein zusätzliches Honorar verlangte. Lennart versprach, er werde sehen, was er in Sachen Bezahlung tun könne, und sie später zurückrufen, sobald es etwas ruhiger sei. Aber sie sagte, diesmal müsse er ordentlich etwas hinblättern, weil sie so viele Opfer gebracht habe, um ihm zu helfen. Lennart erkundigte sich, ob sie in irgendwelchen Schwierigkeiten stecke, aber sie antwortete nur, auf das Geld komme es an, und legte auf.
Seine Freunde schauten ihn fragend an, als er zu ihnen zurückkehrte. Er erzählte, dass es um etwas Berufliches gehe, leider. Sie sahen ihn enttäuscht an und wurden nicht glücklicher, als er im nächsten Moment in Skanstull aus der U-Bahn springen und wieder nach Hause fahren wollte. Also starteten sie eine engagierte Überredungskampagne, besonders Benke, der zwei Wochen in Spanien gewesen war und sich wirklich auf das Wiedersehen mit seinen Kumpels und das Spiel gefreut hatte. Nichts sei doch wohl so wichtig, als dass es nicht zwei Stunden warten könne, das Spiel finde schließlich nur einmal statt und sie sprächen schon so lange davon. Am Ende gab Lennart nach. Es war Sonntag, und da konnte er ohnehin nicht viel ausrichten, höchstens ein bisschen im Internet recherchieren, und das konnte warten, bis er wieder zu Hause war. Außerdem hatte er schon die letzten beiden Spiele verpasst, und die einzige Gelegenheit, seine beiden alten Freunde derzeit zu treffen, war eben beim Fußball. Sie kannten einander seit ihrer Jugend, waren jedoch alle immer so beschäftigt mit ihren Familien, Kindern, Freundinnen oder mit dem Beruf, dass es sonst fast nie zu einem Treffen kam. Daher beschloss Lennart, dass er auch nach dem Spiel noch ein paar Stunden arbeiten konnte. So wichtig würde es schon nicht sein. Die ganze Shibeka-Geschichte war im Grunde gestorben, er hatte Sture bereits erzählt, dass die Familie einen Rückzieher gemacht hatte. Die Frage war, ob Anithas Anruf die Story zu neuem Leben erwecken würde. Aber dafür musste er mehr herausfinden. Mit einem einzigen Namen würde er nicht
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