Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
der gerade Wasser aus einem Fluss trank. Das letzte Bild. Er sah glücklich aus. Lächelte in die Kamera, zu seiner Frau. Billy warf einen Blick auf das Datum. Der 30. Oktober. Der Tag, an dem sie starben. Im Hintergrund erstreckte sich das Tal, rechter Hand lag ein kleines Haus und dahinter ein Plateau, blauer Himmel und Berge. Billy hielt inne. Diese Bergspitzen ganz hinten im Bild erkannte er wieder. Dort war er schon einmal gewesen. Auf der davorliegenden Hochebene hatten sie die Leichen gefunden. Die Entfernung ließ sich schwer abschätzen, aber Billy tippte, dass Jan und Framke Bakker zu diesem Zeitpunkt noch etwa eine Stunde Wanderung vor sich hatten, um dorthin zu gelangen. Noch eine Stunde, die ihnen vom Leben blieb, was der lächelnde Mann natürlich nicht ahnte, als das Bild aufgenommen wurde. Was dem Foto für Billy jedoch ein trauriges Gewicht verlieh. Er wollte es gerade wieder schließen, als er über ein Detail stolperte.
Das Haus.
Das kleine Haus, das im Tal am Fuße eines Berges lag. Nahe des Fundorts. Als sie dort gewesen waren, hatten sie nach einem Tatort gesucht und keinen gefunden. Denn dort hatte es kein Haus gegeben. Am 30. Oktober 2003 anscheinend schon. Billy vergrößerte den Bildausschnitt. Gezimmerte Wände, ein Schornstein, eine kleine Treppe, die zur Tür hinaufführte. Eine Jagdhütte.
Billy stand auf, ging in den Konferenzraum und zu der Karte an der Wand, die sie von der Fjäll-Station mitgebracht hatten. Der Fundort war mit einem Kreuz markiert. Sie hatten das alles schon einmal überprüft, aber er wollte ganz sichergehen.
Kein Haus auf der Karte, wo es nach dem Bild der Bakkers liegen sollte.
Er zog das Telefon, das auf dem Konferenztisch stand, zu sich heran und sah erneut zu der Wand. Fixierte die Visitenkarte von Mats und Klara. Er wählte die Nummer. Klara meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
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L ennart erwachte davon, dass ihm die Sonne ins Gesicht schien. Sie stach in den Augen, und er drehte sich gequält auf die Seite, um das Rollo nach unten zu ziehen, doch stattdessen gelang ihm das Kunststück, die ganze Konstruktion von der Wand zu reißen, sodass sie direkt auf seine bandagierte Hand krachte. Das ließ ihn brüllend aus dem Bett fahren.
Vom Schmerz mit einem Mal hellwach, tappte er ins Badezimmer und angelte zwei 500-mg-Alvedon aus dem Glas, das er immer dort stehen hatte. Er hätte sie nehmen sollen, ehe er sich schlafen legte, dachte er, als er sein Gesicht mit kaltem Wasser wusch. Normalerweise half das gut gegen den Kater, aber so weit hatte er vor einigen Stunden nicht mehr vorausdenken können. Eigentlich hatte er gar nicht mehr denken können. Interessiert betrachtete er die Bandage an seiner linken Hand. Was für ein Abend. Bedeutend wilder, als er ihn geplant hatte. Der Mann, den er im Spiegel sah, war eindeutig jemand, der heute lieber von zu Hause aus arbeiten sollte.
Die Arbeit, ach ja.
Anitha hatte ihn gestern angerufen. Sie hatte den Namen dieses Säpo-Typen, der im Jahr 2003 verantwortlich gewesen war. Ein Adam … Adam … Er erstarrte. Es konnte doch wohl zum Teufel noch mal nicht wahr sein, dass er den Nachnamen vergessen hatte, er hatte gestern doch den ganzen Abend daran gedacht. Jedenfalls bis zum fünften oder sechsten Bier. Tief durchatmen. Er durfte sich jetzt nicht unter Druck setzen, denn dann würde der Name, der ihm eben noch auf der Zunge gelegen hatte, schlimmstenfalls ganz verschwinden. Und er wollte auf keinen Fall noch einmal Anitha anrufen. Das würde mehr als unseriös wirken, er stünde als kompletter Trottel da.
Genauso fühlte er sich allerdings auch. Wie ein kompletter Volltrottel.
Adam.
Adam.
«Adam irgendwas mit C», sagte er laut. Oder D? Nein, C. Er hatte die ganze Zeit über den Namen nachgedacht. Also musste er irgendwo in seinem Gehirn zu finden sein. Er war nicht weg. Nur verborgen. Vorübergehend, hoffte er. Er beschloss, eine kalte Dusche zu nehmen, um seine Erinnerung in Schwung zu bringen.
Das funktionierte ziemlich gut.
Cedergren oder Cederkvist. Adam.
Einer von beiden. Das war immerhin ein Anfang, mit dem er arbeiten konnte. Er wusste schließlich, dass dieser Mann beim Nachrichtendienst arbeitete.
Er setzte sich in das kleine Arbeitszimmer und begann zu telefonieren.
Eine knappe Stunde später wusste er jedenfalls, dass bei der Polizei kein Adam Cedergren oder Cederkvist arbeitete, weder bei der Säpo noch anderswo. Dagegen stieß er im Nachrichtenarchiv auf einen Adam
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