Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
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Zufrieden, aber mit dem Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben, wie er es seit seinen Jugendjahren nicht mehr gehabt hatte, stand er auf und ging in der Wohnung umher. Der Abend war noch jung. Es zog ihn nach draußen.
Er rief seine Töchter an.
Ob sie Lust hätten, ins Kino zu gehen? Sie dürften den Film auswählen. Sie wollten gern, hatten aber keine Zeit. Ein anderes Mal. Torkel spielte mit dem Gedanken, bei Ursula zu Hause anzurufen, fand aber keinen guten Vorwand, also ließ er es bleiben.
Stattdessen holte er eine Flasche Whisky, ehe er wieder zum Sofa ging, den Fernseher einschaltete und sich ein Glas einschenkte. Es war nicht gut, allein zu trinken, aber wenn er es nicht tat – wann zum Teufel sollte er dann trinken? Das erste Glas kippte er fast in einem Zug hinunter und goss sich anschließend gleich noch eines ein.
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U rsula saß mit einem Glas Wein in der Küche, während Sebastian das Essen, das er irgendwo draußen geholt hatte, auf Tellern verteilte. Wenn jemand, der ihre gemeinsame Vorgeschichte kannte, sie jetzt zusammen sähe, hätte er sich gewundert. Was machte sie da eigentlich? Es war das vierte Mal innerhalb einer Woche. Manchmal wunderte Ursula sich selbst. Aber sie hatte ein Wort gefunden, das ihren Umgang mit Sebastian treffend zusammenfasste. Zwanglos.
Genau das brauchte sie jetzt. Flucht, Zeitvertreib, Dummheit, sie wusste nicht, was es war, aber sie fühlte sich in Sebastians Nähe wohl. Sie konnte sich entspannen. Er würde nie auf die Idee kommen, dass mehr daraus würde. Sie auch nicht. Er würde nie sagen: «Ich liebe dich.» Oder es zumindest nicht ernst meinen. Mit ihm zusammen zu sein war besser, als allein zu sein, aber es lief trotzdem nach ihren Bedingungen. Sie betrachtete das Ganze realistisch. Er war nicht monogam. Sie auch nicht. Sie hatte ihn einmal sehr gemocht. Damals hatte er sie betrogen. Aber das hatte auch daran gelegen, dass sie übertriebene Erwartungen an ihn gestellt hatte.
An die Zweisamkeit. An die Treue. An das Leben.
Außerdem war er eine nette Gesellschaft. Abgesehen davon, dass sie viel Gesprächsstoff hatten, verwandelte er sich, wenn er mit einer Frau allein war. Er wurde aufmerksamer, wirkte offener, interessierter. Sie machte sich keine Illusionen, dass es an ihr lag. Vermutlich war er in diesen Situationen immer so, ganz egal, welche Frau bei ihm am Tisch saß. Schaltete auf Autopilot. Er verführte schon so lange auf zwanghafte Weise Frauen, dass sein Gehirn das Mistkerl-Gen selbständig deaktivierte, sobald er mit dem anderen Geschlecht allein war. Und alles nur, um mit jemandem ins Bett zu dürfen. Das hatte ihm Ursula jetzt nicht erlaubt. Noch nicht, ergänzte sie in Gedanken, als er die Teller auf den Tisch stellte und sie anlächelte.
«Dann lass uns mal essen», sagte er, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
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D as Fernsehprogramm lief weiter, aber die Whisky-Flasche war schon fast leer, wie Torkel beim Einschenken eines neuerlichen Glases feststellte. Als er mit dem Trinken begonnen hatte, war die Flasche nicht ganz voll gewesen, aber er hatte zweifelsohne eine ziemliche Menge intus. Genug, um betrunken zu sein. Auf dem Sofa, vor dem Fernseher, allein. Wie jämmerlich. Als er sich aufrichtete, drehte es sich ein wenig in seinem Kopf. Und auch in seinem Magen brannte es leicht. Er sollte etwas essen. Aber schon war er wieder beim selben Thema. Der Einsamkeit. Es war langweilig, etwas für sich selbst zu kochen. Und noch langweiliger war es, allein essen zu gehen. Seine Töchter hatten andere Pläne für den Abend. Das würde sich in den nächsten Jahren wohl auch nicht bessern. Aber er musste dafür sorgen, endlich diesen Freund kennenzulernen, dachte er. Solange es ihn gab, meistens hielt das in diesem Alter ja nicht lange. Oder war es reines Wunschdenken? Yvonne hatte Kristoffer. Wen hatte er? Niemanden.
Er dachte an Sebastian.
Sebastian hatte immer jemanden. Sobald er wollte. Wenn Torkel nur den Bruchteil desselben Erfolgs bei Frauen hätte, wäre er glücklich.
Oder bei einer Frau. Bei Ursula.
Denn so war es. Auch wenn er bisher zu bequem gewesen war, auszugehen und zu versuchen, jemanden kennenzulernen oder sich bei einer Partnersuche-Seite im Internet anzumelden, es gab dort sowieso niemanden, der ihn interessierte. Soweit er wusste. Er wusste, dass er Ursula wollte.
War es wirklich ein aussichtsloses Unterfangen? Sie war verheiratet, aber früher hatte
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