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Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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aufgestellt worden waren. Hedvig führte sie zu einem Mann um die fünfzig, der sich als Jan-Erik Kask vorstellte. Er schüttelte allen die Hand und ging dann durch den aufgeweichten Lehm zum Zelt.
    «Die Böschung ist unter einer Wanderin abgerutscht, und wir haben das da gefunden …»
    Er hielt die Zeltplane hoch, und Sebastian verschwand sofort im Inneren. Ursula folgte ihm. Torkel blieb vor dem Eingang stehen und sah sich um.
    «Passen wir da überhaupt alle rein?»
    «Ja, das müsste gehen. Sie dürfen nur nicht zu nah an den Abgrund treten, damit Sie nicht auch nach unten schlittern.»
    Also betraten Torkel, Billy, Vanja und Jennifer ebenfalls das Zelt. Drinnen war es stickig und feucht. Die Scheinwerfer und der Regen sorgten dafür, dass man sich wie in einem Schmetterlingshaus fühlte. Alle hatten sofort ihre Jacken geöffnet.
    In der Mitte befand sich eine rechteckige Aushebung von etwa zwei mal fünf Metern und einem Meter Tiefe. Auf dem Boden der Grube lagen mehr oder weniger Seite an Seite sechs Skelette. Zwei von ihnen waren deutlich kleiner als die übrigen. An zwei anderen waren Kleiderreste zu erkennen, die in moderigen Fetzen an ihren Beinen klebten. Das Skelett, das am weitesten vom Zelteingang entfernt lag, hatte die Arme ausgestreckt, als wollte es prüfen, ob es noch immer regnete. Von unten war das Rauschen des Flusses zu hören.
    Jan-Erik kam als Letzter ins Zelt und kniete sich neben das Grab. Er machte eine Kopfbewegung zu den Knochen am Rand. «Genau dort ist die Erde abgerutscht. Die Wanderin riss eine Hand und einen Unterarm mit sich. Die haben wir unten in eine Kiste gelegt.»
    Ursula nickte. Sie nahm den Objektivdeckel von ihrer Kamera, woraufhin sie sofort beschlug, was Ursula schon vorausgeahnt hatte. Sie reichte Billy die Kamera und zog sich dünne Handschuhe über, ehe sie sich gegenüber von Jan-Erik an das Grab hockte. Sebastian und die anderen warteten an der Zeltwand. Dies war Ursulas Gebiet. Ihre Show. Sie waren lediglich Zuschauer.
    «Sechs Skelette in relativ schöner Ordnung. Sie wurden sorgfältig nebeneinandergelegt, nicht hineingeworfen.»
    Sie sprach gleichermaßen zu sich selbst wie zu ihrem Team und Jan-Erik.
    «Hat das etwas zu bedeuten?», fragte Jennifer leise, unsicher, ob es legitim war, hier drinnen zu sprechen. Ursula warf Sebastian einen schnellen Blick zu, um zu signalisieren, dass er antworten konnte.
    «Kann sein. Es könnte bedeuten, dass man einen gewissen Respekt vor den Opfern hat. Oder dass man sehr strukturiert ist und emotional wenig betroffen.»
    «Wie haben Sie sie ausgegraben?», fragte Ursula an Jan-Erik gewandt.
    «Wir hatten einen kleinen Bagger.»
    «Wurden sie beschädigt? Von der Maschine?»
    «Nein. Oder, na ja, also vielleicht ein bisschen gestreift …»
    Ursula beugte sich vor und nahm schweigend einen Oberschenkelknochen heraus. Er war grau-braun und wirkte beinahe schimmelig. Überall hafteten Erde und Lehm. Aber an einer Stelle leuchtete eine Kerbe, hell, fast weiß. Der Bagger hatte die Knochen jedenfalls mehr als nur gestreift. Natürlich ließ sich relativ leicht erkennen, welche Schäden an den Knochen neuesten Datums waren, aber wenn die Leute bei der Ausgrabung vorsichtiger gewesen wären, hätte Ursula auf so etwas gar nicht erst Zeit und Energie verschwenden müssen. Behutsam legte sie den Knochen zurück und nahm alle positiven Urteile über die jämtländischen Kollegen zurück, die sie auf der Hinfahrt getroffen hatte.
    Sie waren Stümper.
    Ursula streckte sich nach der Kamera. Billy gab sie ihr.
    Jan-Erik stand auf und wandte sich Torkel zu. «Erst dachten wir, sie wären alt. Also so richtig alt», verdeutlichte er. «Denn im Fjäll sind ja nicht wenige Leute umgekommen. In den Wintermonaten 1718 bis 1719 erfroren hier mehr als dreitausend Karoliner. Manchmal finden wir noch Überreste von ihnen. Nicht oft, das letzte Mal ist schon ein Weilchen her, aber es kommt vor.»
    «Sie müssen doch wohl direkt gesehen haben, dass die Knochen nicht dreihundert Jahre alt sind», sagte Ursula, während sie den Inhalt des Grabes aus allen möglichen Winkeln fotografierte. «Die Skelette haben alle Einschusslöcher im Kopf.»
    «Wir konnten ja nicht sicher davon ausgehen, dass es Einschusslöcher sind.»
    Verwundert senkte Ursula die Kamera.
    «Was denn sonst?»
    «Von irgendeiner runden Stichwaffe …»
    «Sie finden sechs Leichen mit je zwei runden Löchern im Kopf und denken als Erstes, dass sie von einer antiken Stichwaffe stammen

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