Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
er seine Mails lesen, dann wäre er wenigstens abgelenkt. Im selben Moment, als er seinen PC einschaltete, ging Stures Tür auf. Endlich schienen sie fertig zu sein. Linda sammelte ihre Unterlagen zusammen und räumte ihre und Stures Kaffeetasse weg. Der Chef blieb neben der Tür stehen und winkte Lennart lustlos herbei. Es war so weit. Der König gab eine Audienz. Lennart nickte ihm zu, raschelte ebenfalls kurz mit einigen Papieren, um zu zeigen, dass er gerade zu tun hatte, stand auf und ging gemächlich auf ihn zu. Er wollte nicht zu eifrig wirken, damit Sture nicht den Eindruck hatte, dass er die ganze Zeit mit zum Zerreißen gespannten Nerven auf diesen Moment gewartet hatte. Nein, auch er war eine beschäftigte Person. Sehr beschäftigt.
Auf dem Weg zum Chef spuckte er seinen Kaugummi aus. Leider verfehlte er den Papierkorb und war gezwungen, sich umzudrehen und zu bücken, um ihn aufzuheben. Sture folgte ihm mit dem Blick, und Lennart hatte plötzlich das Gefühl, dass sein Eintritt in den Königspalast ein wenig glanzvoller hätte ausfallen können.
Doch es fing gut an. Sture Liljedahl saß vor ihm am Tisch und hörte ihm interessiert zu. Tatsächlich unterbrach der Chef Lennart nicht ein einziges Mal, und der konnte nicht umhin, das mit Stolz zur Kenntnis zu nehmen. Diesmal folgte er anscheinend einer wirklich interessanten Spur. Als er seinen Bericht beendet hatte, beugte Sture sich ein wenig vor, sein Blick war konzentriert.
«Wie üblich ist es, dass man Asylverfahren unter Verschluss hält?»
«Der Polizist, mit dem ich gesprochen habe, hat das noch nie erlebt. Nicht, wenn es um eine Routinesache geht, sagt er.»
«Also haben wir zwei afghanische Männer, die im August 2003 verschwanden», fasste Sture zusammen. «Die Polizei bezeichnet den Fall als ‹unkontrollierte Ausreise›. Dabei hatte mindestens einer der Männer keinen Grund zu verschwinden. Wie hieß er?»
«Said Balkhi. Er hatte 2001 eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, und seine Frau war schwanger.»
Sture ging zu dem großen Whiteboard, das hinter ihm an der Wand hing. Neben der Glaswand war es das Erste gewesen, das er in seinem Raum installiert hatte, und er liebte es, Stichworte daraufzukritzeln. Mit rotem Stift. Lennart vermutete, dass es ihm ein Gefühl von Kontrolle vermittelte. Seine Aufzeichnungen auf seiner Tafel, für all seine Mitarbeiter sichtbar. Er schrieb den Namen Said auf.
«Was wissen wir über Said?»
«Bisher fast nichts, abgesehen von dem, was mir Shibeka erzählt hat. Er war ein Cousin von Hamid und betrieb zusammen mit zwei Cousins seiner Frau einen Laden. Mit ihr wollte ich als Nächstes sprechen.»
«Keine kriminellen Machenschaften?»
«Soweit ich es herausfinden konnte, nicht.»
Sture nickte. «Gut. Dann haben wir Shileka … oder wie hieß sie noch?»
«Shibeka. Sie ist mein Kontakt. Bisher habe ich nur sie getroffen.»
«Und sie macht einen glaubwürdigen Eindruck?»
«Sehr. Sie spricht und schreibt gut Schwedisch. Sie hat keinen Grund zu lügen. Sie versucht schon seit 2003 herauszufinden, was mit Hamid passiert ist.»
«Und sie glaubt, dass etwas nicht stimmt. Wie begründet sie das?»
«Damit, dass Hamid nie verschwinden würde, ohne es ihr zu sagen, und mit dem plötzlichen Auftauchen dieses Typen, der sie zwölf Tage nach dem Verschwinden von Hamid aufgesucht hat, um sie über ihren Mann auszufragen.»
«Sie glaubt, es war ein Polizist?»
«Oder zumindest ein Behördenvertreter.»
«Obwohl er in Zivil war?»
Lennart nickte. «Er hat sich nach Hamids Verwandten und Freunden erkundigt. Und allerlei anderen Sachen.»
Sture blickte skeptisch drein. «Kann sie ihn denn nicht ein wenig besser beschreiben?»
«Nein. Ein schwedischer Mann Mitte vierzig. Sie findet, dass alle Schweden mehr oder minder gleich aussehen.»
Lennart blätterte in seinen Unterlagen, ehe er fortfuhr: «Die Polizisten, mit denen sie später sprach, sagen allerdings, sie hätten in dieser Woche niemanden geschickt. Das hat mir die Polizei in Solna gestern bestätigt.»
Sture sah ihn an. Jetzt war er wirklich skeptisch. «Aber vielleicht war Hamid in etwas verwickelt, von dem seine Frau nichts wusste? Irgendetwas Kriminelles. Ein … Netzwerk. Es gäbe tausend Gründe.»
«Natürlich, das wäre denkbar. Aber irgendetwas ist doch merkwürdig an dieser Zeit kurz nach der Jahrtausendwende. Du erinnerst dich bestimmt noch an die Abschiebung der Ägypter im Jahr 2002?»
Sture warf ihm einen giftigen Blick zu. Was
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