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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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sie getötet, Kelly? Nennen Sie mir Namen, dann können
die
hier sein, anstelle von Ihnen.«
    Salzige Tränen brannten in Kellys unversehrtem Auge. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    Enrique, der jüngere Polizist, verschwand aus dem Bild. Als er wiederkam, gab er Captain Garcia etwas. Kelly erkannte, worum es sich handelte, als Enrique zurücktrat: einen Baseballschläger, mit Klebeband umwickelt und voller Schmutz- und alter Blutflecken. Estébans Blick fiel darauf; Kelly sah seine Angst, doch Estéban bettelte nicht.
    »Machen Sie das nicht«, sagte Kelly stattdessen.
    »
Wir
machen das nicht«, antwortete Sevilla. »
Sie
machen es.«
    »Halt seine verdammte Hand fest«, sagte der ältere Polizist zu Enrique.
    Kelly schlug gegen das Fenster. Die Polizisten beachteten ihn nicht. Er versuchte, sich von Sevilla loszureißen, war aber zu schwach, und das kaputte Bein trug das Gewicht nicht. Kelly sackte gegen das Glas, und nur Sevilla verhinderte, dass er fiel.
    Enrique hielt Estébans rechte Hand fest.
    »Willst du jetzt etwas sagen?«, fragte Garcia.
    »Chinga tu madre«,
antwortete Estéban.
    Captain Garcia hob den Schläger; Enrique wandte sich ab. Kelly konnte es nicht.
    Ein Schlag zertrümmerte drei Finger, die nun in drei unterschiedliche Richtungen abstanden. Estéban schrie. Kelly spürte es durch das Fenster, da das Glas erbebte; möglicherweise war es auch Kellys Stimme, da er selbst nicht mehr mitbekam, was er tat. Der Schläger fuhr noch einmal herunter, noch einmal und danach ein weiteres Mal, bis nur noch zerquetschtes Fleisch und Knochen übrig blieben, die offen zu Tage lagen. Estébans kleiner Finger war nur noch eine breiige Masse, aus der Blut und rosa Fleisch und weiße Splitter quollen.
    »Aufhören! Aufhören, gottverdammt,
aufhören

    »Sorgen
Sie
dafür, dass es aufhört, Kelly! Sagen Sie mir, wer es war.Wenn Sie es nicht waren, wer dann? Sagen Sie es mir, Kelly! Ich flehe Sie an, reden Sie doch.«
    Kelly drehte es den Magen um. Er löste sich von Sevilla, fiel zu Boden und spuckte Galle und Wasser und korallenfarbenen Schaum. Kelly kroch auf allen vieren zu der abgeschlossenen Tür. Immer noch hörte er die Schreie und die konstanten, knirschenden Hiebe des Schlägers – wie ein Metzger bei der Arbeit.
    Sevilla packte Kelly am Hemd und riss ihn halb vom Boden hoch. Kelly schlug heftig um sich, spürte an den Knöcheln, dass er getroffen hatte, und dann war er bei der Tür. Auf dieser Seite gab es keine Klinke, an der er sich festhalten konnte. Er hämmerte mit den Fäusten gegen das Metall. »Stéban!
Stéban!
Paloma, es tut mir so leid!
Lo siento, lo siento, lo siento.
«
    Kelly hörte, wie Sevilla einen Ruf ausstieß, dann ging die Tür plötzlich auf. Er konnte nicht aufstehen. Der Fußboden kam ihm entgegen. Zwei Aufseher zwängten sich durch die halb offene Tür herein, und dann sah und spürte Kelly nur noch Knüppel und Stiefel und Schmerzen, bis alles aufhörte.

DREIZEHN
    Er erwachte, als ihm jemand warmes Wasser ins Gesicht spritzte. Sein linkes Auge konnte er immer noch nicht öffnen. Er spürte harten Beton an seinen Verletzungen, weil er auf dem Boden seiner Zelle lag, nicht auf der Pritsche. Er sah einen dünnen, dunkelhäutigen Mann in weißem T-Shirt und Drillichhose mit einer Metallschüssel und tropfenden Fingern. Ein aufgedrucktes schwarzes Peace-Zeichen zierte das T-Shirt.
    Der Mann sah, dass Kelly wach war. Er lächelte dünn und spritzte mehr Wasser auf ihn.
    »Ist gut«, sagte Kelly.
    Der Mann spritzte mehr Wasser von den Fingerspitzen. Kellys Hemd war durchnässt.
    »Aufhören!«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. Er stellte die Schüssel zur Seite und legte sich auf Kellys Pritsche. Er sah abgemagert aus, fast wie ein ausgehungerter Hund, aber nicht schwach. Ein Boxer las den Körper eines anderen Mannes innerhalb wie außerhalb des Rings, sah Emotionen und Fertigkeiten mit Muskeln und Knochen verknüpft. Dieser Mann hatte vor niemandem Angst.
    Es gelang Kelly, sich aufzusetzen. Er betrachtete seine Hände. Sie waren nicht zerschmettert. Als er seine Finger erblickte, sah er die von Estéban und hörte, wie sie unter dem Baseballschläger brachen. Allein beim Gedanken daran wurde Kelly wieder übel. Die kleinste Bewegung strengte ihn so sehr an, dass er kurzatmig keuchte.
    »Cómo le llaman?«,
fragte Kelly den Mann auf seiner Pritsche.
    Der Mann sah Kelly nicht an. »Gaspar«, sagte er.
    »Ich bin Kelly.«
    Gaspar zuckte wieder mit den Schultern. Er betrachtete

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