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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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könne nicht unter seinem Namen antreten. Ich fragte ein paar Leute, ob das ein Problem sei. Es hätte sich lösen lassen.«
    »Hat er gesagt, warum er nicht unter seinem Namen boxen konnte?«
    »Ärger in den Staaten. Vermutlich Drogen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Sevilla.
    Urvano verzog die Lippen. »Ich weiß es, wenn einer meiner Jungs mit Drogen zu tun hat. Darin bin ich besser als die Drogenhunde der Polizei.«
    »Sagten Sie nicht, dass Sie keine Drogen dulden?«
    »Ich weiß auch, wenn jemand darüber hinweg ist. Dachte ich jedenfalls.«
    Sie beobachteten die beiden jungen Boxer im Ring. Sevilla sah bei Jorge das Problem, das Urvano angesprochen hatte. Er schlug gern zu und hielt die Hände zu tief. Oscars Schläge kamen hoch und schnell, sodass Jorge keine Abwehr parat hatte, aber Sevilla sah, dass er nachdachte, seine Haltung änderte und der Sparringskampf bald ausgeglichener wirkte.Auf einen unhörbaren Gong hin zogen sich beide in ihre jeweilige Ecke zurück.
    »Sehen Sie?«, fragte Urvano, worauf Sevilla nickte. »So war Kelly auch: lernfähig.«
    »Kannten Sie ihn gut?«, wollte Sevilla wissen.
    »Nein. Was ich von ihm wusste, habe ich beim Training gesehen. Am Sandsack. Im Ring.«
    »Ich habe gehört, dass er in den Staaten recht vielversprechend gewesen sein soll. Vorher«, sagte Sevilla.
    »Das glaube ich gern. Die Drogen müssen ihm geschadet haben. Nimmt er wieder welche?«
    Sevilla überlegte, was er sagen, wie viel er preisgeben sollte. Er runzelte die Stirn. »Hat er. Und ist wieder davon losgekommen. Aber so etwas … man kommt nur schwer dagegen an.«
    »Ich habe seine Sachen, wenn Sie sie sehen wollen«, sagte Urvano. »Seinen Spind.«
    »Ja.«
    Urvano stieg von seinem Hocker herunter. Er ging mit einem ausgeprägten Hinken, aber sein Körper war schlank wie der eines Boxers und auch anmutig wie der eines Boxers. Wenn Sevilla Urvano ansah, schämte er sich ob der Fettpolster um seinen Bauch. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal eine Meile gelaufen oder überhaupt gelaufen war. Perverserweise sehnte er sich nach einer Zigarette.
    Die wenigen Habseligkeiten, die Kelly zurückgelassen hatte, halfen Sevilla nicht weiter. Ein Handtuch und ein Stück Seife, ein Kamm, keine geheimen Nachrichten oder profunden Hinweise. Sevilla fluchte verhalten.
    »Sie hatten sich mehr erhofft«, sagte Urvano nur.
    »Nein, keineswegs. Ist das alles?«
    »Ja. Ich habe es länger als normal aufgehoben. Er hat nicht im Voraus bezahlt, aber bis jetzt wollte noch kein anderer den Spind haben. Tut mir leid.«
    Sevilla legte Urvano eine Hand auf die Schulter und schüttelte denKopf. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich habe in Kellys Unterlagen gesehen, dass er Sie bezahlt hat. Das war das Letzte, bevor er … na ja, vor seinem Rückfall.«
    »Daran gebe ich Ortíz die Schuld«, sagte Urvano. Er spie den Namen regelrecht aus.
    »Wem?«
    »Ortíz. Wenn Sie Boxer wären, würden Sie ihn kennen. Er schnüffelt ständig herum und macht Angebote, denen kein seriöser Manager etwas entgegensetzen kann. Er kam auch zu Jorge und Oscar, aber die waren klug und haben ihm gesagt, dass er sich zum Teufel scheren soll.«
    Der alte Mann kehrte zu seinem Platz an der Tür zurück, Sevilla folgte ihm. Den Notizblock hielt er bereits in der Hand. »Ortíz«, sagte er. »Stammt er aus der Gegend?«
    »Nein«, sagte Urvano, »ich weiß nicht, woher er kommt. Vermutlich unter einem Stein hervorgekrochen. Er trägt einen Anzug, trotzdem sieht man ihm an, dass er nur ein Tier in Menschenkleidung ist. Eine Schlange. Wenn Kelly wieder Drogen genommen hat, dann hat Ortíz sie ihm gegeben, da bin ich ganz sicher.«
    Sevilla blätterte hastig den Notizblock durch. Er fand den Namen –
Ortíz
– und ein Datum. Damals hatte Kelly noch geboxt. Sevilla erinnerte sich. »Ist dieser Ortíz Boxmanager?«
    »Er bucht, er managt«, brummelte Urvano. Er sah gequält drein, die Falten um seine Augen wurden tiefer. »Und manchmal bringt er Boxer in die Vereinigten Staaten, wo sie mehr Geld verdienen. Als ich Kelly das letzte Mal gesehen habe, war Ortíz bei ihm. Der Hurensohn kam hier hereinspaziert, als ob er willkommen wäre. Er hatte einige seiner
pinche cabrónes
und den schicken schwarzen Pick-up dabei, mit dem sie immer herumkutschieren. Er brachte seine Hähne zur
palenque.
«
    In dem Moment strömten acht Boxer zur offenen Eingangstür der Sporthalle herein. Sie waren nach einem Dauerlauf schweißnass, die kurzen

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