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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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das sowieso nichts an. Worauf es ankommt, ist, dass sie eine Ärztin ist.

6. JANUAR 1995, FREITAG
    EPIPHANIAS, HEILIGE DREI KÖNIGE

1
    A lice schreckt aus dem Schlaf hoch. Sie hat von Silvia geträumt, nur dass dieses Mal sie diejenige war, die bewegungsunfähig in dem Bett lag. Die Schwester hatte danebengestanden und ein Kissen in der Hand gehalten. Plötzlich hatte sie es hochgehoben und ihr aufs Gesicht gedrückt, ohne irgendetwas zu sagen. Und ohne irgendeine Form von Anteilnahme zu zeigen.
    Sie atmet in vollen Zügen die stickige Krankenhausluft ein, um so das Gefühl des Erstickens wieder loszuwerden. Sie sieht, dass Roberto die Augen offen hat und an die Decke blickt, weil ihm die Halskrause nichts anderes ermöglicht.
    »Alice …«
    Sie steht aus dem unbequemen Sessel auf und fängt an, den nicht eingegipsten Arm zu streicheln. Sie bringt sich in sein Gesichtsfeld, im schwachen Dämmer der Notfallbeleuchtung, die die ganze Nacht eingeschaltet bleibt.
    »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, flüstert sie.
    Roberto blickt auf die zerzausten Haare und den zerdrückten Kittel.
    »Dein … Duft«, schafft er zu sagen und entlockt ihr damit ein gerührtes Lächeln. Dann überlässt er sich einem wattigen Gefühl. Er weiß nicht, warum sie hier ist. Er weiß nur, dass er keine Worte findet, um ihr zu sagen, wie glücklich er darüber ist.
    Alices Stimme empfängt ihn, als er viele Stunden später wieder erwacht.
    »Wie geht es dir?«
    »Was … für ein Tag ist heute?«
    »Epiphanias. Es ist sieben Uhr morgens. Du hast vierzehn Stunden geschlafen. Wie geht es dir?«, fragt sie noch einmal.
    »Gut … sieht man das nicht?« Er versucht ein Lächeln, aber die Nähte im Gesicht zwingen ihn, zu einem ernsteren Gesichtsausdruck zurückzukehren. »Bist du … die ganze … Nacht hiergeblieben?«, fragt er mühsam.
    Sie hebt die Schultern. »Jemand musste sich schließlich um dich kümmern, oder? Du siehst ja, was passiert, wenn man dich allein lässt.« Ihre Stimme bricht. »Es ist auch meine Schuld, dass du jetzt so daliegst. Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen, aber nach der Nacht neulich …«
    Roberto schafft es, die rechte Hand zu bewegen, bis er die ihre berührt. »Du kannst überhaupt nichts dafür … das ist nicht der richtige Augenblick, um … darüber zu sprechen. Wir machen das irgendwann … aber nicht jetzt.«
    Alices Augen glänzen, ihr Lächeln ist sanft. »Ich wollte nur, dass du es weißt.«
    Roberto schließt die Augen und versucht sogar zu nicken. Lange Minuten sagt niemand mehr etwas. Am Ende bricht sie das Schweigen, als fände sie es schwierig, es länger aufrechtzuerhalten.
    »Dein lieber Bernini hat heute Morgen schon dreimal angerufen, um zu fragen, wie es dir geht. Gestern hat er sich aus Mailand hierher begeben, sobald er von deinem … Unfall erfahren hat.«
    Roberto hat wieder die raue Stimme des Questore im Ohr, der ihm verkündet, Sernagiottos Rekonstruktion sei falsch. Ich will, dass der wahre Mörder der Zanarinis verhaftet wird. Und ich will es sein, der das tut.
    Obwohl er sich fühlt, als sei ein Lastwagen über ihn hinweggerollt, versucht er aufzustehen. Mit übermenschlicher Anstrengung gelingt es ihm gerade so, sich aufzusetzen. Den Gipsblock anzuheben, der Oberkörper, Schulter und linken Arm miteinander verbindet, entreißt ihm ein Stöhnen.
    »Was hast du vor?«
    Einen Schmerzensschrei unterdrückend, schafft Roberto es aufzustehen. »Der Arzt … hat gesagt … dass es mir gut geht.«
    Alice blitzt ihn an. »Ich bin auch Arzt. Es geht dir überhaupt nicht gut, du musst dich ausruhen und gesund werden.«
    »Das mach ich ja … wenn alles zu Ende ist. Jetzt kann ich nicht.«
    Auf dem freien Bett liegen Kleidungsstücke. Unterwäsche, ein Paar Hosen und ein Pullover. Alles in Schwarz, große und bequeme Kleidungsstücke. Wer sie gebracht hat, hat Rücksicht auf seine Einschränkungen genommen. Das Parfum, das noch in ihnen hängt, lässt wenig Zweifel daran, wer das gewesen ist.
    Nur mit der rechten Hand gelingt es ihm schließlich, das Krankenhausnachthemd abzustreifen und die Hosen anzuziehen. Mit dem Pullover ist das aber etwas vollkommen anderes. Kaum versucht er, ihn über die linke Seite zu streifen, durchfährt ihn ein Blitz, von der Schulter bis in die Magengrube, der ihn beinahe zu Boden wirft. Alice tritt zu ihm, um ihm zu helfen.
    In diesem Augenblick betritt Doktor Sassi das Zimmer. Als er ihn vor dem Bett stehen sieht, reißt er die

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