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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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Signora sprechen, aber ich fürchte, es waren die Verletzungen, die Sie aufgehalten haben«, scherzt er. In der Zwischenzeit kommt das Getränk, das den süßen Duft des Alkohols verströmt.
    Ausgehend von Bondis Artikel, fasst Roberto die Ereignisse, die Case Rosse und sein Leben erschüttert haben, kurz zusammen. Alice fragt sich, wo er so viel Energie hernimmt, in seiner Verfassung.
    »Ich lese keine Zeitungen und sehe kein Fernsehen, um mir nicht die Laune zu verderben, aber ich habe davon gehört. Eine abscheuliche Sache«, bemerkt Aldrovandi.
    »Wie schon gesagt, habe ich Die Wölfe kommen gelesen. Es gibt nur zwei Seiten über das Massaker vom Prato grande. Ich habe mich gefragt, ob Sie noch mehr Informationen darüber haben.«
    Aldrovandi schiebt die leere Tasse beiseite und öffnet den Rucksack. Er fischt einen großen Umschlag mit einem Stapel zerknitterter Papiere darin hervor. »Weil Sie so freundlich waren, mir das im Vorhinein mitzuteilen, habe ich mich beeilt, Ihnen die Aufzeichnungen mitzubringen, die ich während meiner, ich bitte um Verzeihung für die unpassende Bezeichnung, Forschung über das Blutbad gemacht habe.«
    Roberto streckt die freie Hand aus. Aldrovandi bremst ihn jedoch. »Bitte gestatten Sie mir, Ihnen zuvor noch zu erläutern, warum ich von Forschung spreche, und Ihnen die Figur Francesco Ferri alias Comandante Sfregio vorzustellen. Nach meinem Dafürhalten ist es von grundlegender Bedeutung.«
    Alice, besser vertraut mit dem akademischen Umfeld, ahnt, dass Aldrovandi den professoralen Habitus derart verinnerlicht hat, dass die einzige Möglichkeit, Informationen aus ihm herauszubringen, darin besteht, ihn eine kleine Vorlesung halten zu lassen. Während sie unter dem Tisch Robertos Hand drückt, antwortet sie: »Ich bitte Sie, Professor, versuchen Sie, sich kurz zu fassen. Jede Sekunde ist wertvoll.«
    »Ich werde mich überaus kurz fassen, Signora. Lassen Sie mir nur die Zeit, noch einen Tee zu bestellen.« Aldrovandi bestellt wieder einen Tee mit reichlich Rum und führt erneut die Kälte als Entschuldigung an. Nach einem großzügigen Schluck, gefolgt von einem befriedigten Schnalzen, fängt er schließlich zu sprechen an.
    »Wie zu Recht angemerkt, habe ich in meiner Studie die Episode, die Ihnen am Herzen liegt, nur flüchtig gestreift. Diese Entscheidung ist allerdings wahrhaftig nicht der Tatsache geschuldet, dass ich sie für wenig bedeutsam im Gesamtbild dieser umstrittenen Seite halte, die die Resistenza dargestellt hat. Ganz im Gegenteil. Ich war gezwungen, mich zwei Schwierigkeiten geschlagen zu geben: In primis ist der Ruhm des Comandante Sfregio überwiegend von lokaler Bedeutung. In dem anmutigen Dörfchen Case Rosse wird er wie ein neuer Achilles verehrt, doch entfernt man sich nur einige wenige Kilometer, weiß schon niemand mehr, dass es ihn überhaupt gegeben hat. In secundis, aber direkt damit in Zusammenhang stehend, hat es sich als wesentlich beschwerlicher erwiesen, Informationen zu beschaffen, als ich es mir vorgestellt hatte. Andere Gemeinden haben sich die Gelegenheit, die eigenen patriotischen Tugenden ihrer Partisanen aufzupolieren, nicht entgehen lassen. Im Gegensatz dazu hat das Dorf, in dem Francesco Ferri das Licht der Welt erblickt hat, sich derart zugeknöpft gegeben, dass es schon an Omertà erinnerte.«
    Roberto überrascht das nicht, aber er sagt nichts, um die Rede nicht zu unterbrechen.
    »Der wahre Grund aber, warum ich dem Blutbad nur wenige Seiten gewidmet habe, ist ein anderer: eine Form von Eitelkeit. In mühsamer Kleinarbeit ist es mir gelungen, in den Besitz einiger Informationen über die Brigade Ypsilon und ihren charismatischen Gründer zu gelangen. Ich hätte ihm gern ein eigenes Werk gewidmet.«
    Als der Professor den Namen ausspricht, greift Roberto einem Impuls folgend in die Tasche und zieht die Zwille heraus. Er legt sie auf die Papiere, unsicher über die Reaktion, die sie hervorrufen könnte. Aldrovandi setzt sich eine Brille auf die Nase, deren Gestell nicht weniger auffällig gefärbt ist als der Rucksack. Er nimmt das verrottete kleine Stück Holz mit einer Ehrfurcht in die Hand, wie sie sonst Reliquien vorbehalten ist. Er nickt langsam.
    »Als ich heute Nacht die Ordnungskräfte über meinen Schlaf wachen gesehen habe, ist mir klar geworden, dass die Frage, in der Sie mich hinzugezogen haben, von großer Wichtigkeit ist. Und dieses Objekt nicht weniger, das meiner Meinung nach gar nicht hoch genug geschätzt werden kann«,

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