Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
zu mir gesagt, als er neben dem Grab stand, das er sich selbst geschaufelt hatte, und darauf wartete, dass ich ihm vergebe.
War das auch meine Ausrede?
Vielleicht. Ich glaube allerdings nicht. Ich habe nicht ständig die Rollen gewechselt. Der Alkohol hat aus Quentin James den Menschen gemacht, der er war, und er lebte mit einem Fuß in beiden Welten, als zwei verschiedene Menschen. Bei mir ist das anders. Quentin James hat aus mir einen anderen Menschen gemacht, und es gibt für mich keinen Weg zurück. Es gibt nur einen Theodore Tate.
Als ich nach Hause komme, bin ich zwar körperlich erschöpft, doch innerlich völlig aufgewühlt: eine seltsame Kombination. Ich möchte gleichzeitig schlafen und auf und ab gehen. Bevor ich irgendwas davon tun kann, werde ich auf dem Weg von der Einfahrt zu meinem Haus von Casey Horwell und ihrem Kameramann gestellt. Da ich nirgends den Kleinbus entdecken kann, nehme ich an, dass sie in der dunkelroten Limousine campiert haben, die auf der anderen Straßenseite steht. Mit ihrem dicken Make-up wirkt Horwell wie eine waschechte Medienhure. Ich kann die dünnen Furchen und Risse in der Grundierung sehen. Sie riecht nach abgestandenem Kaffee. Ich lasse den Beutel mit den Bändern und Auszügen außerhalb des Blickfelds der Kamera zur Seite baumeln.
»Mr. Tate«, sagt sie und schiebt sich direkt vor mein Gesicht. »Das hat ja nicht lange gedauert, bis Sie wieder hinterm Steuer hocken, nachdem man Ihnen den Führerschein abgenommen hat. Und das, obwohl Sie des Mordes an Vater Julian verdächtigt werden. Ihre Freunde bei der Polizei, auf die Sie so wahnsinnig stolz sind, schieben bestimmt eine Menge Überstunden, damit Sie nicht in den Knast wandern.«
»Ich dachte, Reporter stellen Fragen und geben keine Kommentare ab«, sage ich und wünschte sogleich, ich hätte die Klappe gehalten.
»Eigentlich tun wir beides.«
»Nur dass nichts davon stimmt.«
Ich will um sie herumgehen, doch sie macht einen Schritt zur Seite und versperrt mir den Weg. Wahrscheinlich will sie, dass ich sie wegschubse, und genau das würde ich am liebsten tun. Ich möchte sie am Arm packen und von meinem Grundstück verscheuchen, doch dann überlege ich es mir anders und wähle eine neue Taktik.
»Würden Sie uns verraten, wie es kommt, dass man die Mordwaffe in Ihrer Garage gefunden hat?«
»Welche Mordwaffe?«, frage ich.
»Den Hammer.«
»Welchen Hammer?«
»Der, mit dem Vater Julian umgebracht wurde.«
»Wer ist Vater Julian?«
Sie runzelt die Stirn, denn sie weiß nicht, was ich im Schilde führe. »Der Mann, vor dessen Kirche Sie mindestens vier Wochen mit Ihrem Wagen standen.«
»Welche Kirche?«
Die Falte auf ihrer Stirn wird noch tiefer und gräbt eine Furche in ihr Make-up. »Ist das hier für Sie bloß ein Spiel?«
»Was für ein Spiel?«
»Die einzige Verbindung zwischen den Toten sind Sie.«
»Was ist eine Verbindung?«
Die Furche vertieft sich. Ihr Grinsen verschwindet und macht plötzlich Verärgerung Platz; unter ihrem Make-up brodelt es, und eine ganz andere Casey Horwell kommt zum Vorschein.
»Wo ist Sidney Alderman?«, fragt sie.
»Was ist ein Alderman?«
Sie dreht sich zu ihrem Kameramann um. »Das war’s«, sagt sie, und er nimmt die Kamera herunter.
»Sie sind erledigt«, erklärt sie. »Wir haben gefilmt, wie Sie in die Straße gebogen sind, das macht keinen besonders guten Eindruck.«
»Mehr haben Sie nicht auf Lager?«
»Aber sicher doch. Warten Sie erst mal ab, bis ich richtig loslege. Komm, Phil«, sagt sie und wendet sich ihrem Kameramann zu, »gehen wir.«
»Halt«, sage ich.
»Was?«
»Von wem kriegen Sie Ihre Informationen?«
»Sind Sie wirklich so bescheuert? Glauben Sie etwa, dass ich Ihnen das erzähle?«
»Verraten Sie mir nur eins. Ist es ein Cop?«
»Von mir hören Sie gar nichts.«
»Ist es ein Cop?«, frage ich, und diesmal schreie ich sie an.
Sie tritt einen Schritt zurück, und der Kameramann hievt sich erneut die Kamera auf die Schulter.
»Sie sollten sich besser etwas bremsen.«
»Und Sie sollten besser darüber nachdenken, auf was Sie sich da eingelassen haben«, sage ich. »Wenn Ihr Informant kein Cop ist, wer ist er dann, hm? Wer sonst kann Ihnen diesen ganzen Blödsinn mit der Mordwaffe gesteckt haben? Es gibt nur eine Möglichkeit. Sie werden benutzt, Horwell, aber Sie sind zu dumm, um das zu begreifen, und wenn Sie endlich dahinterkommen, werden Sie zu arrogant sein, um es zuzugeben. Aber für alles, was jetzt passiert, sind Sie
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