Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
kriege, was ich will, sind gerade gestiegen.
»Ich habe hier eine Kontonummer«, sage ich und reiche ihr den Auszug. Ich habe die Nummer von Vater Julians Konto unterstrichen. Außerdem schiebe ich ihr den Gerichtsbeschluss hinüber. Den Namen des Richters oben auf dem Formular habe ich mir genauso ausgedacht wie seine Unterschrift.
Es kommt vor allem darauf an, den Gerichtsbeschluss zum richtigen Zeitpunkt zu präsentieren. Erica nimmt ihn in die Hand, und dann tut sie genau, was ich erwartet habe – sie späht auf die Uhr. Ich habe so was ein Dutzend Mal beobachtet, wenn wir am Ende eines Arbeitstages irgendwo mit irgendeinem Beschluss aufgekreuzt sind; oft hatten wir uns genau diesen Zeitpunkt ausgesucht. Außer dem wissen die Leute nicht, was sie damit anfangen sollen. Die meisten werfen einen hilflosen Blick darauf, denn sie haben so etwas noch nie gesehen. Sie kennen das nur aus dem Fernsehen und glauben, der Wisch dort habe etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Die meisten meinen auch, sie dürften gegen den Beschluss keinen Einspruch erheben, und haben prompt keine Einwände. Sie weigern sich höchstens, wenn sie etwas zu verbergen haben.
Erica liest ihn sich gründlich durch. Im betreffenden Feld steht Zugriff auf sämtliche Konten des Kontoinhabers, dahinter habe ich die Kontonummer getippt.
»Das ist eines Ihrer Konten, nicht wahr?«, frage ich.
»Ja. Ist es Gegenstand polizeilicher Ermittlungen?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen«, antworte ich, und vermutlich hat sie auch nichts anderes erwartet.
»Ich muss wegen des Beschlusses mit meinem Chef telefonieren.«
»Kein Problem.«
»Wahrscheinlich muss ich ihm das faxen.«
»Ich kann warten. Ganz unten ist ein Feld, in dem Sie unterschreiben müssen, wenn Sie es durchgelesen haben.«
Sie schaut erneut auf die Uhr. »Nur eine Minute.«
»Lassen Sie sich Zeit«, sage ich.
Sie lässt mich allein im Büro zurück, und ich bin gespannt, wer hier als Nächstes auftaucht, sie oder die Polizei. Ich werfe immer wieder einen Blick auf meine Uhr und denke jedes Mal, ich sollte aufstehen und verschwinden, um den Schaden in Grenzen zu halten, bevor Landry oder Schroder hier eintrifft.
»Das Konto läuft auf den Namen John Paul«, sagt sie, als sie zurückkehrt. Vermutlich hat sie den Gerichtsbeschluss an ihren Chef gefaxt und sonst ist nichts passiert. Vielleicht noch an ihre Anwälte, aber wahrscheinlich ist es zu teuer, sie am Wochenende auf Abruf arbeiten zu lassen, so dass das Fax jetzt auf irgendeiner Ablage liegt. Ich habe so was Dutzende Male erlebt.
Sie teilt mir ein paar unwichtige Einzelheiten zum Konto mit, was niemandem schaden kann. Dann setzt sie sich wieder hinter ihren Tisch. »John Paul. Wie der Papst auf Englisch«, fügt sie hinzu.
»Wann wurde es eröffnet?«
Sie dreht den Computermonitor in ihre Richtung. »Vor vierundzwanzig Jahren.«
»Ich brauche Ausdrucke von den Überweisungen.«
»Okay. Das dauert ein paar Minuten.«
»Kein Problem.«
Sie tippt etwas ein, dann lehnt sie sich zurück. Ich kann nirgends einen Drucker hören.
»Hatte John Paul noch weitere Konten? Oder nur dies eine?«, frage ich.
»Nur das hier. Aber...« Sie zögert und wirft dann einen Blick auf den Gerichtsbeschluss.
»Was ist?«
»Er hat zusammen mit dem Konto ein Schließfach eingerichtet.«
»Ein Schließfach? Hier?«
»Ja, in dieser Filiale.«
»Kann ich da mal einen Blick reinwerfen?«
»Davon steht nichts in dem Gerichtsbeschluss.«
»Hören Sie, Erica, es ist wirklich wichtig.«
Sie scheint nicht zu wissen, was sie tun soll.
»Dieses Schließfach – hatte John Paul einen Schlüssel dafür?«, frage ich.
»Natürlich. Damit werden sie geöffnet.«
»Wann hat er das letzte Mal darauf zugegriffen?«
Sie wirft einen Blick auf den Bildschirm. »Vor sechs Wochen.«
»Wie viele Schlüssel gibt es dafür?«
»Bloß einen.«
»Können Sie mir sagen, ob das hier der Schlüssel ist?« Ich greife in meine Tasche und ziehe meinen Schlüsselbund hervor. Dann drehe ich den Schlüssel, den Bruce Alderman mir gegeben hat, vom Ring und reiche ihn ihr.
»Sicher. Der gehört zu einem unserer Schließfächer, allerdings kann ich Ihnen nicht sagen, ob er zu John Pauls Fach gehört. Wir markieren die Schlüssel absichtlich nicht, wissen Sie, für den Fall, dass sie verloren gehen und irgendjemand versucht, sie zu benutzen.«
Ich stehe auf. »Ich muss Sie bitten, mich zu den Schließfächern zu bringen.«
»Was?« Sie blickt erneut auf ihre Uhr. »Ich
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