Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
davon.«
»Was?«
Ich informiere ihn von der Verbindung zu Martins. Er nimmt es zur Kenntnis, hat aber wie ich keine Ahnung, was er damit anfangen soll.
»Sein Körper war durch die Wassereinwirkung bereits zu stark verwest«, sagt er. »Darum war es nicht mehr möglich, ihn auf Giftspuren zu untersuchen und festzustellen, ob er ermordet wurde.«
»Was ist mit dem zweiten Ehemann? Der das alles hier ins Rollen gebracht hat?«
»Wer?«
»Der gestorben ist und euch veranlasst hat, Henry Martins auszugraben.«
Er fängt an, die Kassetten in den Plastikbeutel zu stapeln. »Sein Tod war ein Unfall. Offenbar ist er bei der Arbeit aus Versehen mit irgendeinem Gift in Berührung gekommen. Keine Ahnung, war nicht mein Fall. Bleifarbe oder so. Das hat sich ziemlich hingezogen. Schon komisch, wie das alles zu dem hier geführt hat.«
Es ist kurz vor elf, und plötzlich bin ich erschöpft. Alles, was ich jetzt möchte, ist, Landry vor die Tür zu setzen, damit ich ins Bett gehen kann.
»Ist das seiner? Sieht ziemlich neu aus«, meint er und hebt den kleinen Kassettenrekorder hoch.
»Hab ihn gestern gekauft. Und’ne Quittung dafür.«
»Schön, ich werd ihn jedenfalls mitnehmen. Betrachte das als ersten Schritt deiner Zusammenarbeit mit der Polizei. Weiter so, und du wirst die ganze Sache vielleicht unbeschadet überstehen, Tate. Mal ganz abgesehen von der Anklage wegen Trunkenheit am Steuer hätten wir da Einbruch …«
»Nein, habt ihr nicht.«
»… Behinderung polizeilicher Ermittlungen sowie …«
»Schon klar, ich hab’s kapiert, okay?«
Er nimmt die Fotos. »Sind sie das?«
»Ja.«
Ein paar Sekunden sagt er keinen Ton, und dann: »Ich sollte dich wirklich festnehmen.«
»Pass auf, Landry, ich brech gleich zusammen, okay? Ich bin völlig kaputt. Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß, und alles gegeben, was ich habe. Also, mach deinen Job und krieg raus, wer dieser Verrückte ist, bevor er Deborah Lovatt tötet.«
»Das fünfte Mädchen.«
»Genau. Das fünfte Mädchen.«
»Okay, Tate. Ich will dir ausnahmsweise mal glauben. Aber festnehmen werde ich dich trotzdem müssen.«
»Und wenn du mich festnimmst, was dann? Erst mal wirst du dir die Bänder anhören und alles durchgehen, was ich dir erzählt habe. Das heißt, ich werde zwölf Stunden im Verhörzimmer hocken, bevor du überhaupt mit mir redest. Das nützt doch keinem was. Lass mich hier, damit ich schlafen kann, und solltest du mich morgen brauchen, weißt du, wo du mich findest.«
Er antwortet nicht, doch er nickt langsam.
Ich begleite ihn zur Eingangstür. Egal wie sauer er auf mich ist, ich bin mir sicher, hätte er vor zwei Jahren beschlossen, auf Henry Martins’ Exhumierung zu verzichten, hätte er jetzt genauso das Bedürfnis, den toten Mädchen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Ich lausche, wie er davonfährt.
Dann knalle ich mit dem Kopf auf das Kissen und schaffe es sogar, zwei Minuten zu schlafen, bevor mein Handy klingelt.
»Warum habe ich das Gefühl, als hätte man mich gerade benutzt?«, fragt Landry.
Ich antworte nicht.
Er fährt fort. »Ich habe deinen Kassettenrekorder eingeschaltet, um schon mal reinzuhören.«
»Und?«
»Und? Er war zu Sidney Alderman vorgespult. Wo er beichtet, dass er seine Frau umgebracht hat. Ich schätze, du wolltest, dass ich das als Erstes höre; das heißt, du wusstest, dass ich deinen Kassettenrekorder mitnehme und mir das anhöre. Warum?«, fragt er.
»Du bist überrascht, wozu er fähig war, stimmt’s? Ein Typ wie er, das überrascht dich.«
»Gute Nacht, Tate.«
»Gute Nacht, Landry.«
Ich lege auf und schalte mein Handy aus, überzeugt, dass die Polizei jetzt keinen Grund mehr hat, Mrs. Alderman auszugraben.
Kapitel 54
Zunächst weiß ich nicht, wo ich bin. Als ich aufwache, bin ich erschöpft und verwirrt, und dann ist plötzlich alles wieder da – nicht nur der gestrige Tag, sondern die letzten zwei Jahre. Diese Momente sind die schlimmsten. Manchmal wache ich auf, und die ersten zwei, drei Sekunden ist alles okay – ich rolle mich auf die Seite, und Bridget ist da, und Emily sieht im Wohnzimmer fern. Doch wenn diese zwei Sekunden vorbei sind, holt mich die Wirklichkeit wieder ein, und der Schmerz ist zurück, so intensiv wie in jenen Momenten vor zwei Jahren.
Ich steige aus dem Bett, immer noch groggy. Als ich mein Handy einschalte, sehe ich, dass ich eine Nachricht habe. Es ist Landry. Wenn ich ihn nicht bald zurückrufe, taucht er wahrscheinlich wieder hier
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