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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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gefesselt. Nein, ich bin mit vorgehaltener Waffe hinter ihm hergegangen. Ich habe ihn gezwungen, eine Schaufel zu tragen, damit er weiß, wie es sich anfühlt, das Opfer zu sein, wie es sich anfühlt, gleich sterben zu müssen. Ich ließ ihn ein Grab ausheben, und er heulte die ganze Zeit und erzählte mir, dass es ein Unfall gewesen sei, und dass er es nur zu gerne wieder rückgängig machen würde, dass es Quentin James der Säufer gewesen sei, der meine Tochter getötet habe, und nicht der Mann mit der Schaufel in der Hand. Der Mann, der jetzt die Schaufel hielt, würde sich Hilfe suchen. Ins Gefängnis gehen und mit seiner Tat leben, ja, und wieder gesund werden.
    »Wenn es passiert, bin ich jemand anders«, sagte er zu mir. »Dann bin ich nicht mehr ich selbst.«
    Doch das war mir egal; meine Frau war nicht mehr, was sie gewesen war, und meine Tochter war nicht mehr am Leben. Ich erklärte ihm, dass es zu spät sei, dass es keine Rolle mehr spiele, was er jetzt sage, dass sein Bedauern weder die Vergangenheit ändern noch die Zukunft aufhalten könne. Er weinte. Flehte um sein Leben. Doch ich wollte mich weder durch seine Rechtfertigungen noch durch seine kranken Entschuldigungen von meinem Plan abbringen lassen; ich hatte diese Entscheidung bereits vor der Fahrt dorthin getroffen. Das musste ich. Nur so konnte ich die Sache zu Ende bringen, konnte ich die anderen vor ihm bewahren.
    Doch jetzt erscheinen die Dinge für mich in einem anderen Licht. Vielleicht hat er genau denselben Mist durchlitten, der mich hierhergebracht hat. Ich habe mich nie mit seiner Vorgeschichte befasst. Nie nachgefragt, ob seine Familie gestorben war oder was ihn zum Säufer gemacht hat. Dazu war ich viel zu wütend. Er stand im Grab und heulte, als ich die Pistole auf ihn richtete. Ich hatte gehofft, er würde sich damit abfinden, die Klappe halten und Frieden mit seinem Schöpfer schließen – und es einfach akzeptieren. Doch das tat er nicht.
    Quentin James flehte immer noch um sein Leben, als ich ihm eine Kugel in den Kopf jagte. Ich fühlte mich keineswegs so gut dabei, wie ich erwartet hatte.
    Nachdem ich seine Leiche zurechtgerückt hatte, bis sie schön bequem im Grab lag, das er ausgehoben hatte, habe ich ihn vergraben. Dann, ohne ein Gebet zu sprechen oder auf sein Grab zu spucken, bin ich gegangen. Es war ein fließender Übergang vom Ausheben des Grabes bis zu dem Moment, in dem ich mich abwandte. So wie die Verwandlung vom Vater zum Mörder. Ich habe die Schaufel zu meinem Wagen getragen, bin davongefahren und nie wieder zurückgekehrt.
    Es sei denn, ich bin jetzt wieder hier. Es könnte derselbe Wald sein.
    »Es war ein Unfall«, wiederhole ich.
    »Du hattest eine Tochter«, sagt er. »Es kommt gerade überall in den Nachrichten. Verdammt noch mal, warum bist ausgerechnet du völlig besoffen Auto gefahren?«
    »Ich sehe keine Schaufel«, sage ich.
    »Was?«
    »Du hättest mir eine Schaufel in die Hand drücken sollen.«
    »Wozu?«
    »Was glaubst du wohl?«
    »Meinst du, ich zerbreche mir den Kopf, ob ich dich vergraben soll? Meinst du, es interessiert mich, ob man dich findet?«
    »Das sollte es aber.«
    »Warum?«
    »Weil du sonst dein Leben wegwirfst. Ich kriege, was ich verdiene, aber du hast nicht verdient, dass man dich be straft.«
    Er macht einen kleinen Schritt zurück. Es wäre mir lieber, wenn er auf mich zukäme. Wenn er die Pistole auf meinen Kopf richten würde. Wenn er uns beiden einen Gefallen täte und das hier zu Ende bringt.
    »Was?«, fragt er.
    »Drück einfach ab.«
    »Das werd ich.«
    »Ja, das behauptest du zwar, aber bis jetzt redest du nur davon. Also, wozu es auch gut sein mag: Es tut mir furchtbar leid. Wenn du allerdings erwartest, dass ich um mein Leben flehe, das kannst du vergessen. Vielleicht wünschst du dir das, aber das macht es nur noch schwerer. Das würde dich verfolgen. Nachdem du mich erschossen hast, wirst du feststellen, dass es dir trotzdem nicht besser geht, du wirst dich einfach nur leer fühlen. Zumindest ist es mir so gegangen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Vielleicht ist es bei dir auch anders. Deine Tochter lebt noch, oder? Anstatt an ihrer Seite zu sein, bist du mit mir hier rausgefahren. Das ist die falsche Reihenfolge. Der falsche Zeitpunkt. Du hättest mich jederzeit hierherbringen können.« Ich werfe einen Blick auf den Ehering an seinem Finger. »Deine Frau und deine Tochter, sie brauchen dich jetzt.«
    »Halt die Klappe. Sag mir nicht, was gut für meine Familie

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