Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
bleibt mit ein paar Kollegen zurück, um das Haus zu durchsuchen.
Auf dem Revier mache ich erneut Bekanntschaft mit dem Verhörzimmer. Man schließt mich ein, und davon, mit meinem Anwalt telefonieren zu können, ist keine Rede mehr, aber das ist in Ordnung. Mein Bedarf an Anwälten ist für heute gedeckt. Ich lege meinen Kopf auf die Arme und schließe die Augen, denn man wird mich eine Weile hier warten lassen.
Eine Stunde später betritt Landry in Begleitung von Schroder das Zimmer. Das bedeutet, dass einer von ihnen nett zu mir sein wird, während der andere mich unter Druck setzt. Ich weiß längst, wer welche Rolle spielen wird, und vermutlich wissen sie, dass ich das weiß. Sie bauen eine Videokamera auf und richten sie so aus, dass sie uns drei aufnimmt. Ich kann hören, wie sie läuft. Schroder setzt sich mir gegenüber, während Landry stehen bleibt. Es ist ziemlich kalt hier, erst recht mit meinen Sommerklamotten.
Schroder legt einen Ordner auf den Tisch und schlägt ihn auf. Er enthält Fotos von Vater Julian. Man hat ihm den Kopf eingeschlagen, Gesicht und Hals sind voller Blut. Seine Kleidung ist durcheinander. Ein Auge ist geöffnet, das andere geschlossen, denn sein Gesicht ist gegen den Boden gedrückt. Es scheint kein schneller Tod gewesen zu sein. Anders als das, was mir vorhin im Wald beinahe widerfahren wäre. Im offenen Auge hat sich ein winziges Blutgerinnsel gebildet. Schroder fängt an, die Fotos auf dem Tisch auszubreiten. Darunter eine Großaufnahme von Vater Julians Mund. Hinter seinen geöffneten Lippen kann man die blutverschmierten Zähne sehen. Und dahinter nichts als tiefste Finsternis.
»Erst mal was Grundsätzliches«, sagt Schroder. »Du weißt ja, wie das läuft, schließlich hast du früher auf dieser Seite des Tisches gesessen, darum werden wir erst gar nicht versuchen, irgendwelche Spielchen mit dir zu spielen. Wir präsentieren dir einfach die Fakten und geben dir die Möglichkeit, dich dazu zu äußern. Hört sich das gut für dich an?«
Ich zucke mit den Achseln. »Sicher. Aber was ist mit meinem Anwalt? Glaubt ihr, das hört sich für ihn auch gut an?«
»Wenn du willst, kannst du einen Anwalt kommen lassen. Wir sparen uns diesmal auch den bescheuerten Spruch, dass nur ein Schuldiger nach einem Anwalt verlangt.«
»Bringen wir’s einfach hinter uns.«
Er schiebt mir ein Blatt Papier rüber. »Hier unterschreiben«, sagt er.
Ich lese es nicht durch. Sondern überfliege es bloß, um mich zu vergewissern, dass es dasselbe Formular ist, das ich früher anderen Leuten über den Tisch zugeschoben habe. Es ist eine Verzichtserklärung, in der steht, dass ich damit einverstanden bin, ohne Anwalt auszusagen.
»Wo liegt das Problem?«, fragt Landry. »Ist dir etwa eingefallen, dass es vielleicht was gibt, das du uns doch nicht erzählen willst?«
Ich unterschreibe. Die Alternative wäre, Donovan Green anzurufen.
Das Formular verschwindet wieder im Ordner. Die Fotos von Vater Julian bleiben liegen.
»Die Botschaft ist eindeutig«, sagt Landry.
»Was für eine Botschaft?«
Er wirft Schroder einen Blick zu und zuckt mit den Achseln, als könnte er nicht glauben, was er da gerade gehört hat. Schroder breitet ein paar weitere Fotos aus.
»Du wolltest nicht, dass er redet«, sagt Schroder. »Und du wolltest ihm eine Botschaft dalassen. Darum hast du ihm die Zunge rausgeschnitten.«
»Moment mal«, sage ich und beuge mich vor.
»Warum siehst du eigentlich so fertig aus?«, fragt Landry. »Das ganze Blut. Und der Dreck. Was hast du angestellt? Hast du jemanden vergraben?«
»Ich hatte letzte Nacht einen Unfall.«
»Man hat dich sauber gemacht. Deine Kleidung von heute ist in der Waschmaschine. Ist sie auch voller Blut?«, fragt Schroder.
»Du hättest sie besser weggeworfen, Tate«, sagt Landry. »Nach all den Jahren, in denen du Leute wegen so einem Mist hochgenommen hast, hätte ich dich für schlauer gehalten.«
»Verdammt, seit wann ist es verboten, hinter sich aufzuräumen?«
»So wie du in letzter Zeit rumgelaufen bist«, sagt Landry und lehnt sich gegen die Wand, »könnte man fast meinen, dass du dieses Verbot eingeführt hast.«
Ich betrachte die beiden. Der eine sitzt. Der andere steht. Einer ist mein Freund, der andere mein Feind. Und nur einer von ihnen muss sich dafür verstellen. Bald wird Landry hinter mir auf und ab tigern, aus meinem Blickfeld verschwinden, wieder auftauchen und sich über mich beugen. Sie spielen bereits das Spiel, auf das sie
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