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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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fünfzehn Werst weit von hier weggejagt. Nein, heute müssen Sie hier über Nacht bleiben; morgen mögen Sie dann nach einem frühen Mittagessen fahren, wohin Sie wollen.«
    Wie konnte man gegen Pjetuch ankämpfen? Sie mußten schon dableiben. Dafür wurden sie durch einen wundervollen Frühlingsabend belohnt. Der Hausherr veranstaltete eine Kahnfahrt auf dem Flusse. Zwölf Ruderer mit vierundzwanzig Rudern fuhren die Gesellschaft unter Gesängen über den spiegelglatten See. Von dem See ging es in den Fluß, der sich, mit sanft abgeflachten Ufern nach beiden Seiten, unabsehbar hinzog; fortwährend kamen sie dabei unter Seilen hindurch, die zum Zwecke des Fischfangs quer über den Fluß gespannt waren. Die Oberfläche des Wassers wurde durch die Strömung nicht im geringsten bewegt; lautlos erschienen vor ihrem Blicke eines nach dem anderen die Landschaftsbilder, und ein Hain nach dem anderen erfreute ihr Auge durch die mannigfaltige Gruppierung der Bäume. Nachdem die Ruderer eine Weile in gleichem Takte mit ihren vierundzwanzig Rudern gearbeitet hatten, hoben sie auf einmal alle Ruder in die Höhe, und der Kahn schoß von selbst wie ein leichter Vogel über die regungslose, spiegelnde Oberfläche dahin. Ein breitschultriger Bursche, der dritte Mann vom Steuer, der den Vorsänger machte, begann mit reiner, heller Stimme, welche klang, als ob sie aus einer Nachtigallenkehle käme, die ersten Strophen eines Liedes; fünf andere fielen ein; die sechs übrigen hielten einen Grundton lange aus, und nun strömte das Lied endlos dahin, endlos wie Rußland selbst. Auch Pjetuch raffte sich auf und stieß eine Art von Gekreisch aus, um den Chor zu verstärken, wo es diesem an Kraft mangelte, und selbst Tschitschikow fühlte, daß er ein Russe war. Nur Platonow dachte: »Was ist denn Schönes an diesem wehmütigen Gesange? Dann wird ja die Seele nur noch melancholischer.«
    Als sie zurückfuhren, senkte sich schon die Dämmerung herab. Die Ruder schlugen im Dunkeln in das Wasser, das den Himmel nicht mehr widerspiegelte. Im Finstern legten sie am Ufer an, auf welchem eine Anzahl von freien Feuern brannten; auf Dreifüßen kochten sich die Fischer eine Fischsuppe aus lebhaft zappelnden Kaulbarsen. Alles war bereits zu Hause. Das Vieh und Geflügel des Gutes war schon längst eingetrieben, und der Staub, den es aufgeregt hatte, hatte sich gelegt; die Hirten, die es eingetrieben hatten, standen am Tore und warteten auf Töpfe mit Milch und auf eine Einladung zur Fischsuppe. In der Dunkelheit hörte man das leise Geplauder der Gutsleute und fernes Hundegebell, das aus fremden Dörfern herüberklang. Der Mond stieg herauf; die dunkle Umgebung begann sich zu erhellen, und alles wurde klar sichtbar. Ein wundervolles Bild! Aber niemand hatte Lust, sich seiner zu freuen. Statt auf schnellen Hengsten im Mondschein über das Feld miteinander um die Wette zu reiten, dachten Nikolai und Alexei an Moskau, an die Konditoreien und Theater, von denen ihnen ein aus der Hauptstadt zu Besuch gekommener Kadett erzählt hatte; ihr Vater dachte daran, womit er seine Gäste traktieren könne; Platonow gähnte. Verhältnismäßig am lebhaftesten zeigte sich noch Tschitschikow. »Nein, wirklich! Ich werde mir auch einmal ein Gütchen anschaffen!« dachte er bei sich. Und dabei schwebte ihm ein nettes Frauchen und eine Anzahl kleiner Tschitschikows vor.
    Beim Abendessen wurden wieder gewaltige Quantitäten verzehrt. Als Pawel Iwanowitsch in das ihm angewiesene Schlafzimmer kam und sich ins Bett legte, befühlte er seinen Bauch und sagte: »Prall wie eine Trommel! Da geht kein Polizeimeister mehr hinein.« Es hatte sich so gefügt, daß auf der anderen Seite der Wand das Zimmer des Hausherrn lag; die Wand war nur dünn, und es war alles zu hören, was dort gesprochen wurde. Der Hausherr bestellte bei dem Koche für den nächsten Tag unter dem Namen eines frühen Dejeuners ein reguläres Mittagessen – und wie bestellte er es! Ein Toter hätte dabei Appetit bekommen.
    »Und die Fischpastete mache viereckig«, sagte er, indem er mit den Lippen eine saugende Bewegung machte und die Luft einzog. »In die eine Ecke tu die Backen und Knorpel von dem Stör hinein und in eine andere einen Brei von Buchweizengrütze und Pilze und Zwiebeln und süße Fischmilch und Hirn und sonst noch dies und das, du weißt schon, was da hineingehört. Auf der einen Seite muß sie schön braun gebacken sein, verstehst du, auf der anderen aber etwas heller. Und die Unterseite,

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