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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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daß ich selbst von diesen Dingen so wenig verstehe und nicht imstande bin, es Ihnen auseinanderzusetzen; aber die Kunststücke, die er ausführt, sind ganz erstaunlich. Die Leute nennen ihn einen Hexenmeister. Vieles, vieles von mancherlei Art ist bei ihm zu sehen … Aber langweilig ist das alles trotzdem.«
    »Das muß wirklich ein wunderbarer Mann sein«, dachte Tschitschikow. »Es ist sehr bedauerlich, daß der junge Mensch so oberflächlich ist und es nicht versteht, einem die Sache auseinanderzusetzen.«
    Endlich wurde das Dorf sichtbar. Einer Stadt ähnlich breitete es sich mit seinen vielen Bauernhäusern über drei Anhöhen aus, die von drei Kirchen gekrönt waren; ringsum war das Dorf von gewaltigen Getreide- und Heuschobern umgeben. »Ja«, dachte Tschitschikow, »das sieht man, daß hier ein Landwirt ersten Ranges wohnt.« Die Bauernhäuser waren sämtlich fest, die Straßen eben; stand irgendwo ein Bauernwagen, so war er stark und neu; die ihnen begegnenden Bauern hatten einen verständigen Gesichtsausdruck; das Hornvieh war von auserlesener Art; sogar die Schweine der Bauern machten einen vornehmen Eindruck. Man konnte meinen, daß hier jene Bauern wohnten, von denen es im Liede heißt, sie schüppten das Silbergeld mit Schaufeln zusammen. Hier waren keine englischen Parks und Rasenflächen mit allerlei Einrichtungen zum Vergnügen; wohl aber zog sich nach altmodischer Art eine lange Reihe von Vorrats- und Arbeiterhäusern bis dicht an das Gutsgebäude heran, damit der Herr immer sehen könne, was um ihn herum geschah; auf dem hohen Dache des Gutsgebäudes erhob sich eine turmähnliche, hohe Laterne, nicht zum Schmuck und zum Betrachten der Aussicht, sondern um die Arbeiter auf den fernen Feldern beobachten zu können.
    An der Haustür wurden sie von hurtigen Dienern empfangen, die von dem Trunkenbold Petruschka sehr vorteilhaft abstachen, obwohl sie keine Fracks trugen, sondern Kosakenröcke von blauem, im Hause gewebtem Tuche.
    Die Hausfrau kam selbst vor die Tür gelaufen. Sie sah frisch wie Milch und Blut aus und war schön wie der Tag; sie glich ihrem Bruder Platonow wie ein Ei dem andern, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht welk und matt war wie er, sondern gesprächig und heiter.
    »Guten Tag, Bruder! Wie freue ich mich, daß du gekommen bist! Konstantin ist nicht zu Hause, wird aber bald kommen.«
    »Wo ist er denn?«
    »Er hat im Dorfe mit Aufkäufern zu tun«, versetzte sie, während sie die Gäste ins Zimmer führte.
    Tschitschikow betrachtete neugierig die Wohnung dieses ungewöhnlichen Menschen, der zweihunderttausend Rubel jährliche Einnahme hatte; er hatte die Vorstellung, er werde an der Wohnung die Eigenschaften des Hausherrn selbst wiederfinden, so wie man aus der zurückgebliebenen Schale auf die Muschel oder Schnecke schließt, die einmal daringesteckt und einen Abdruck ihrer Körperformen hinterlassen hat. Aber es war nicht möglich, aus der Wohnung irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Die Zimmer waren sämtlich einfach eingerichtet und erschienen sogar leer. Da waren weder Wandmalereien noch Gemälde, noch Bronzen, noch Blumen, noch Etagèren mit Porzellan, nicht einmal Bücher. Kurz, alles zeigte, daß das Leben des Bewohners sich zu seinem größten Teile überhaupt nicht in den vier Wänden des Zimmers, sondern auf dem Felde abspielte, und daß sogar die Gedanken desselben nicht etwa vorher nach Sybaritenart am Kaminfeuer im bequemen Lehnstuhl ersonnen wurden, sondern dort selbst, an der Stätte seiner Tätigkeit, ihm in den Kopf kamen und gleich dort, wo sie ihm in den Kopf gekommen waren, in Taten umgesetzt wurden. In den Zimmern konnte Tschitschikow nur die Spuren weiblicher Haushaltung erkennen: auf den Tischen und Stühlen lagen reinliche Bretter von Lindenholz und auf ihnen allerlei Blumenblätter, welche trocknen sollten.
    »Was hast du denn da für Jux ausgebreitet, Schwester?« sagte Platonow.
    »Wie kannst du das Jux nennen!« erwiderte die Hausfrau. »Das ist das beste Mittel gegen das Fieber. Damit haben wir im vorigen Winter alle Bauern kuriert. Und dies da ist zu Likören, und jenes dort kommt in das Eingemachte. Ihr macht euch immer über meine Art, Eingemachtes und Eingesalzenes herzustellen, lustig; aber nachher, wenn ihr es eßt, lobt ihr es selbst.«
    Platonow trat an das Klavier und blätterte in den dort liegenden Noten.
    »Herr Gott, was für altes Zeug!« sagte er. »Schämst du dich denn gar nicht, Schwester?«
    »Na, nimm es mir nicht übel, Bruder,

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