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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Sterletsuppe mit Quappenleber und Quappenmilch schmatzend einschlürfen und eine Pastete mit Welsschwanz dazu essen, so daß man vom Zusehen Appetit bekommt – ja, diese Herren erfreuen sich wirklich einer beneidenswerten Himmelsgabe! Gar mancher vornehme Herr würde augenblicklich die Hälfte seiner Seelen und die Hälfte seiner verpfändeten und unverpfändeten Güter mit allen möglichen Meliorationen auf ausländische und auf russische Art hingeben, wenn er dafür einen solchen Magen bekommen könnte, wie ihn so ein Herr aus dem Mittelstande besitzt; aber das Malheur ist eben dies, daß man für kein Geld und für keine Güter mit und ohne Meliorationen einen solchen Magen erwerben kann.
    Das aus bereits dunkel gewordenen Holzbalken gebaute Wirtshaus empfing unseren Tschitschikow unter seinem schmalen gastlichen Wetterdach, das auf gedrechselten Holzsäulen ruhte, welche mit altertümlichen Kirchenleuchtern Ähnlichkeit hatten. Das Wirtshaus war eigentlich nur ein russisches Bauernhaus in größerem Maßstabe. Gemusterte Schnitzereien aus frischem Holze um die Fenster und unter dem Dache bildeten einen lebhaft abstechenden Schmuck der dunklen Wände; auf den Fensterläden waren Krüge mit Blumen gemalt.
    Nachdem er eine schmale Holztreppe hinaufgestiegen war, trat ihm auf dem geräumigen Flur eine dicke alte Frau in einem bunten baumwollenen Kleide entgegen, öffnete eine knarrende Tür und sagte: »Bitte hier einzutreten!« Im Zimmer erblickte er die alten Freunde, die ein jeder in den kleinen hölzernen Wirtshäusern erblickt, deren nicht wenige an den Landstraßen erbaut sind, nämlich: einen angelaufenen Samowar, glattgehobelte Wände aus Fichtenholz, einen dreieckigen Schrank mit Teekannen und Tassen in der Ecke des Zimmers, vergoldete, an blauen und roten Bändern hängende Eier von Porzellan vor den Heiligenbildern, eine Katze, die soeben gejungt hatte, einen Spiegel, der statt zweier Augen ihrer vier zeigte und statt eines Gesichtes eine Art von Fladen, und endlich an die Heiligenbilder gesteckte Sträuße von duftenden Kräutern und von Nelken, die dermaßen vertrocknet waren, daß jeder, der an ihnen roch, ohne weiteres niesen mußte.
    »Ist ein Ferkel zu haben?« Mit dieser Frage wandte sich Tschitschikow an die vor ihm stehende Alte.
    »Jawohl.«
    »Mit Meerrettich und Sahne?«
    »Jawohl, mit Meerrettich und Sahne.«
    »Dann gib mir!«
    Die Alte ging weg, um alles zusammenzusuchen, und brachte einen Teller, eine Serviette, die so gestärkt war, daß sie steif dastand wie eine getrocknete Baumrinde, dann ein Messer mit vergilbtem knöchernen Griff, so dünn, als ob es zum Federschneiden dienen sollte, eine zweizinkige Gabel und ein Salzfaß, das sich schlechterdings nicht gerade auf den Tisch stellen ließ.
    Unser Held ließ sich nach seiner Gewohnheit sogleich mit ihr in ein Gespräch ein und fragte sie, ob sie das Wirtshaus allein halte oder noch ein Wirt da sei, und wieviel es einbringe, und ob ihre Söhne bei ihnen wohnten, und ob der älteste Sohn ledig oder verheiratet sei, und was er für eine Frau genommen habe, mit großer Mitgift oder nicht, und ob der Schwiegervater zufrieden gewesen sei und sich nicht darüber geärgert habe, daß er bei der Hochzeit nur wenig Geschenke bekommen habe; kurz, er überging nichts. Selbstverständlich interessierte er sich dafür, zu erfahren, was für Gutsbesitzer in der Umgegend zu finden seien, und erfuhr, daß es allerlei Gutsbesitzer gebe: Blochin, Potschitajew, Mylnoi, Oberst Tscheprakow, Sobakewitsch. »Ah, du kennst Sobakewitsch?« fragte er und erfuhr sogleich, daß die Alte nicht nur Sobakewitsch, sondern auch Manilow kannte, und daß Manilow vornehmer als Sobakewitsch sei: er lasse sich sofort ein Huhn kochen und verlange auch Kalbsbraten; wenn Hammelleber da sei, so verlange er auch diese, und von allem koste er nur; Sobakewitsch dagegen bestelle nur ein Gericht, und das esse er ganz auf und verlange sogar, daß ihm ohne Nachzahlung noch etwas nachgebracht werde.
    Während er sich auf diese Weise unterhielt und das Ferkel verzehrte, von dem nur noch der letzte Bissen übrig war, hörte man das Rädergerassel eines herankommenden Wagens. Durch das Fenster blickend, sah er, daß vor dem Wirtshause eine leichte, mit drei guten Pferden bespannte Britschke hielt. Aus der Britschke stiegen zwei Männer: der eine blond und hochgewachsen, der andere etwas kleiner und schwarzhaarig. Der Blonde trug einen dunkelblauen Schnurrock, der Schwarzhaarige einfach

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