Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
irrtümlicherweise eingraviert war: »Meister Saweli Sibirjakow.« Hierauf zeigte er den Gästen einen Leierkasten und begann ihn sogleich in ihrer Gegenwart zu drehen. Der Leierkasten spielte ganz hübsch; aber in seinem Innern schien etwas passiert zu sein, denn die Masurka ging in das Lied »Marlborough zieht jetzt zu Felde« über, und »Marlborough zieht jetzt zu Felde« endete unerwartet in einem altbekannten Walzer. Nosdrew hatte schon lange aufgehört zu drehen; aber in dem Leierkasten war eine sehr muntere Pfeife, die sich absolut nicht beruhigen wollte, sondern noch lange nachher allein tönte. Dann wurden hölzerne und tönerne Pfeifen gezeigt sowie Meerschaumpfeifen, teils angeraucht, teils unangeraucht, teils mit Lederüberzug, teils ohne solchen, ein unlängst im Spiel gewonnener Tschibuk mit einem Mundstück aus Bernstein, ein Tabaksbeutel, von irgendeiner Gräfin gestickt, die sich auf irgendeiner Poststation in ihn bis über die Ohren verliebt hatte, und deren schöne Hände nach seinem Ausdrucke das feinste superflu gewesen waren, ein Wort, das wahrscheinlich bei ihm den höchsten Grad der Vollkommenheit bezeichnete. Nachdem sie als Vorspeise etwas gedörrten Stör zu sich genommen hatten, setzten sie sich kurz vor fünf Uhr zu Tische. Das Mittagessen bildete bei Nosdrew offenbar keinen Hauptpunkt im Leben; die Speisen spielten nur eine untergeordnete Rolle: manches war angebrannt, manches überhaupt nicht gar gekocht. Augenscheinlich hatte sich der Koch vorwiegend durch eine Art von Eingebung leiten lassen und das erste beste, was ihm in die Hände gekommen war, hinzugetan: wenn Pfeffer neben ihm gestanden hatte, so hatte er Pfeffer hineingeschüttet; hatte Kohl dagelegen, so hatte er Kohl hineingegeben, und ebenso Milch, Schinken, Erbsen; kurz, er hatte gedacht: nur immer drauflos, wenn’s nur heiß ist; irgendein Geschmack wird doch sicherlich herauskommen. Dafür nahm Nosdrew es sehr ernst mit dem Weine. Die Suppe war noch nicht gereicht worden, als er schon jedem der Gäste ein großes Glas Portwein eingoß und dann jedem ein Glas Haut-Sauternes; denn einfachen Sauternes gibt es in den Gouvernements- und Kreisstädten nicht. Darauf ließ Nosdrew eine Flasche Madera bringen; einen besseren Madera hatte nach seiner Versicherung selbst der Feldmarschall nicht getrunken. Der Madera brannte wirklich im Munde; denn die Kaufleute kannten schon den Geschmack der Gutsbesitzer, die einen guten Madera liebten, und versetzten ihn schonungslos mit Rum; ja sie gossen manchmal sogar Scheidewasser hinein, in der Hoffnung, daß ein russischer Magen alles vertragen werde. Darauf ließ Nosdrew noch eine besondere Flasche bringen, die nach seiner Angabe Burgunder und Champagner zugleich war. Er goß sehr eifrig die beiden Gläser rechts und links voll, sowohl das seines Schwagers als das Tschitschikows; der letztere bemerkte jedoch mit einem flüchtigen Blicke, daß er sich selbst nicht viel einschenkte. Dies veranlaßte ihn vorsichtig zu sein, und sobald Nosdrew im Gespräche lebhaft wurde oder seinem Schwager einschenkte, goß er sofort den Inhalt seines Glases auf den Teller. Nach kurzer Zeit wurde ein Ebereschenschnaps auf den Tisch gebracht, der nach Nosdrews Ausdruck ganz den Geschmack von Sahne hatte, in welchem aber zum Erstaunen der Gäste der dazu verwendete Fusel in seiner vollen Kraft zu schmecken war. Hierauf tranken sie einen Likör, der einen Namen führte, den man nur schwer im Gedächtnis behalten konnte; sogar der Wirt selbst nannte ihn das zweite Mal mit einem anderen Namen als vorher. Das Mittagessen war schon längst beendet und die Weine sämtlich durchprobiert, aber die Gäste saßen immer noch am Tische. Tschitschikow konnte sich schlechterdings nicht dazu entschließen, mit Nosdrew in Gegenwart des Schwagers über den ihm wichtigsten Gegenstand zu reden; der Schwager war doch ein Fremder, und der Gegenstand verlangte ein freundschaftliches Gespräch unter vier Augen. Übrigens konnte der Schwager kaum gefährlich sein, da er schon gehörig betrunken zu sein schien und, auf seinem Stuhle sitzend, alle Augenblicke mit der Nase eine pickende Bewegung machte. Und da er selbst bemerkte, daß er sich in hoffnungslosem Zustande befand, so bat er schließlich, ihn nach Hause zu entlassen, aber mit sehr matter, müder Stimme.
    »Nein, nein, nein, ich lasse dich nicht fort«, sagte Nosdrew. »Quäle mich nicht, lieber Freund; wirklich, ich muß fahren«, sagte der Schwager. »Du bringst mich in

Weitere Kostenlose Bücher