Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
eine sehr peinliche Lage.«
»Unsinn, Unsinn! Wir werden gleich einen kleinen Pharao entrieren!«
»Nein, entriere du ihn allein, Schwager; ich kann nicht: meine Frau wird es mir sehr übelnehmen, wirklich; ich muß ihr doch vom Jahrmarkt erzählen. Ich muß ihr dieses Vergnügen machen, Schwager; wirklich, das muß ich. Nein, halte mich nicht auf!«
»Ach, hol deine Frau der Teufel! Ihr habt wohl etwas Wunder wie Wichtiges zusammen zu tun!«
»Nein, Schwager, sie ist eine so gute Frau. Wirklich, eine musterhafte Frau, so achtungswert und treu! Sie ist gegen mich so dienstfertig … solltest du es glauben: mir stehen oft die Tränen in den Augen. Nein, halte mich nicht zurück; so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich muß fahren. Das versichere ich dir auf mein Gewissen.«
»Laß ihn doch fahren; was haben wir von ihm für Nutzen?« sagte Tschitschikow leise zu Nosdrew.
»Das ist auch wahr!« erwiderte Nosdrew ebenfalls leise. »Ich kann solche schlappen Kerle für den Tod nicht leiden!« Und laut fügte er hinzu: »Na, hol dich der Teufel, dann fahre und häng dich deiner Frau an die Schürze, du Pantoffelheld!«
»Nein, Schwager, schimpfe mich nicht ›Pantoffelheld‹!« antwortete Mischujew. »Ich verdanke ihr geradezu mein Leben. Wirklich, sie ist so gut, so lieb; sie ist so zärtlich gegen mich … es rührt mich bis zu Tränen. Sie wird fragen, was ich auf dem Jahrmarkte gesehen habe … ich muß ihr alles erzählen … sie ist wirklich so lieb …«
»Na, dann fahre hin und lüge ihr irgendwelchen Unsinn vor! Da ist deine Mütze!«
»Nein, Schwager, in dieser Weise sollst du nicht von ihr reden; damit kränkst du, kann man sagen, mich selbst; sie ist so lieb …«
»Na, dann scher dich so schnell wie möglich zu ihr hin!«
»Ja, Schwager, ich werde fahren; entschuldige, daß ich nicht bleiben kann. Ich würde von Herzen froh sein, aber ich kann nicht.« Er wiederholte noch lange seine Entschuldigungen, ohne zu bemerken, daß er selbst schon längst in der Britschke saß, schon längst aus dem Tore hinausgefahren war und schon längst nur leere Felder vor sich hatte. Man konnte voraussehen, daß seine Frau nicht viele Einzelheiten über den Jahrmarkt zu hören bekommen würde.
»So ein Jammerkerl!« sagte Nosdrew, der am Fenster stand und nach dem abfahrenden Wagen hinblickte. »Wie er da abzieht! Das Beipferd ist nicht übel; das habe ich ihm schon längst abknöpfen wollen. Aber man kann sich ja mit ihm nicht einigen. Ein Pantoffelheld, einfach ein Pantoffelheld!«
Darauf gingen sie in ein anderes Zimmer. Porfiri brachte Kerzen, und Tschitschikow bemerkte in den Händen des Wirtes ein Päckchen Karten, das irgendwoher auf einmal zum Vorschein gekommen war.
»Nun, wie ist’s, Bruder?« sagte Nosdrew, indem er die Seiten des Päckchens mit den Fingern zusammendrückte und es ein wenig bog, so daß der Papierstreifen zerriß und absprang, »nun werde ich zum Zeitvertreib eine Bank von dreihundert Rubeln auflegen!«
Aber Tschitschikow tat, als hörte er gar nicht, wovon der andere redete, und sagte, wie wenn ihm das plötzlich einfiele: »Ach, um es nicht zu vergessen: ich habe eine Bitte an dich.«
»Was für eine Bitte?«
»Gib mir vorher dein Wort darauf, daß du sie erfüllen wirst!«
»Aber was ist es denn für eine Bitte?«
»Na, gib mir erst dein Wort!«
»Meinetwegen.«
»Ehrenwort?«
»Ja, Ehrenwort.«
»Meine Bitte ist nämlich die: es sind bei dir vermutlich viele Bauern gestorben, die noch nicht aus der Revisionsliste gestrichen sind?«
»Na ja; und nun?«
»Übertrage sie auf mich, auf meinen Namen!«
»Aber was hast du davon?«
»Na, ich brauche sie.«
»Aber wozu?«
»Na, ich brauche sie … das ist ja meine Sache … kurz, ich brauche sie.«
»Na, da hast du gewiß einen geheimen Plan dabei. Gestehe: was ist es?«
»Was könnte ich für einen Plan dabei haben? Auf eine solche Bagatelle kann man keinen Plan bauen.«
»Was willst du denn mit ihnen anfangen?«
»Ach, was bist du neugierig! Jeden Dreck möchte er mit der Hand befühlen und womöglich auch noch daran riechen!«
»Aber warum willst du es denn nicht sagen?«
»Was hast du denn für Nutzen davon, wenn du es weißt? Na, es ist einfach so ein wunderlicher Einfall von mir.«
»Also höre: ehe du es nicht sagst, tue ich es nicht.«
»Na, sieh mal, das ist doch nicht ehrenhaft von dir: erst gibst du mir dein Wort, und nun nimmst du es wieder zurück!«
»Na, wie du willst; aber ehe du nicht sagst, wozu,
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