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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Gerichten zu schaffen habe, so tue man schon am besten, sich selbst die Rockschöße abzuschneiden und so weit wie möglich wegzulaufen; aber wenn Pluschkin wirklich in solcher Bedrängnis sei, so sei er, Tschitschikow, selbst aus Teilnahme bereit, dafür eine Kleinigkeit zu geben, allerdings nur eine solche Kleinigkeit, daß es nicht der Rede wert sei.
    »Wieviel würden Sie denn geben?« fragte Pluschkin gierig; die Hände zitterten ihm wie Gallert.
    »Ich würde fünfundzwanzig Kopeken pro Seele geben.«
    »Und wie werden Sie sie kaufen: mit Barzahlung?«
    »Ja, Zahlung sofort.«
    »Aber, Väterchen, mit Rücksicht auf meine Armut sollten Sie doch vierzig Kopeken geben.«
    »Mein Verehrtester!« erwiderte Tschitschikow, »gern würde ich Ihnen nicht nur vierzig Kopeken, sondern fünfhundert Rubel für das Stück bezahlen! Mit Vergnügen würde ich Ihnen einen solchen Preis bezahlen, weil ich sehe, daß ein achtungswerter, braver alter Mann infolge seiner eigenen Gutherzigkeit Not leidet.«
    »Ja, weiß Gott, so ist es! Weiß Gott, das ist die Wahrheit!« versetzte Pluschkin, indem er den Kopf herunterhängen ließ und stark hin und her bewegte, »nur infolge meiner Gutherzigkeit!«
    »Nun, sehen Sie wohl, ich habe Ihren Charakter sofort richtig beurteilt. Warum sollte ich Ihnen also nicht fünfhundert Rubel pro Seele geben? Nur … ich habe kein Vermögen; aber fünf Kopeken will ich meinetwegen zulegen, so daß jede Seele auf dreißig Kopeken kommt.«
    »Nun, Väterchen, wenn’s Ihnen recht ist: legen Sie wenigstens noch zwei Kopeken zu!«
    »Nun, meinetwegen auch noch zwei Kopeken. Wie viele solcher Seelen haben Sie denn? Sie sagten ja wohl: siebzig?«
    »Nein, es werden im ganzen achtundsiebzig herauskommen.«
    »Achtundsiebzig, achtundsiebzig, die Seele zu zweiunddreißig Kopeken, das macht …« Hier dachte unser Held eine Sekunde lang, nicht länger, nach und sagte dann sofort: »Das macht vierundzwanzig Rubel sechsundneunzig Kopeken!« Er war im Rechnen stark. Er veranlaßte nun Pluschkin sogleich, eine Quittung zu schreiben, und händigte ihm das Geld ein, das dieser in beide Hände nahm und mit solcher Vorsicht zum Schreibtisch hintrug, als ob er eine Flüssigkeit trüge und sie jeden Augenblick zu verschütten fürchtete. Als er zum Schreibtisch gekommen war, sah er das Geld noch einmal genau an und legte es, wieder mit außerordentlicher Behutsamkeit, in ein Schubfach, wo demselben sicherlich so lange begraben zu sein beschieden war, bis Vater Karp und Vater Polikarp, die beiden Geistlichen seines Dorfes, ihn selbst begraben würden, zur unbeschreiblichen Freude seines Schwiegersohnes und seiner Tochter und vielleicht auch des Hauptmanns, der mit ihm verwandt zu sein behauptete. Pluschkin setzte sich auf den Lehnstuhl und schien nun keinen Gesprächsstoff mehr finden zu können.
    »Wie, Sie wollen schon wegfahren?« fragte er, als er eine kleine Bewegung bemerkte, welche Tschitschikow nur gemacht hatte, um sein Taschentuch herauszuholen.
    Diese Frage erinnerte den Besucher daran, daß er tatsächlich keine Veranlassung habe, den Aufbruch länger zu verschieben. »Ja, es ist Zeit für mich«, sagte er und griff nach seinem Hute.
    »Aber wie ist’s mit dem Tee?«
    »Ich danke; ich trinke ihn bei Ihnen lieber ein andermal.«
    »Aber ich habe doch schon den Samowar bestellt. Ich für meine Person bin, offen gestanden, kein Freund von Tee: es ist ein teueres Getränk, und auch der Zucker ist schrecklich im Preise gestiegen. Proschka! Der Samowar ist nicht nötig! Das Osterbrot bringe Mawra, hörst du wohl? Sie soll es wieder an denselben Platz legen; oder nein, gib es her, ich will es selbst hintragen. Leben Sie wohl, Väterchen! Gott segne Sie! Und den Brief geben Sie dem Präsidenten! Ja! Der mag ihn lesen; er ist ja ein alter Bekannter von mir. Gewiß! Wir waren Jugendfreunde!«
    Hierauf begleitete dieses seltsame Wesen, dieser zusammengeschrumpfte alte Mann seinen Gast bis ans Hoftor, das er sogleich wieder zuschließen ließ. Dann ging er bei den Vorratsräumen umher, um zu inspizieren, ob die Wächter auch auf ihren Posten seien; diese standen an allen Ecken und schlugen mit Holzschaufeln auf ein leeres Faß statt auf eine Eisenplatte. Hierauf blickte er in die Küche hinein, wo er, unter dem Vorwande probieren zu wollen, ob die Leute auch gutes Essen bekämen, sich an Kohlsuppe und Grütze ordentlich satt aß, und nachdem er alle ohne Ausnahme wegen Dieberei und sonstigen schlechten Benehmens

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