Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
ausgeschimpft hatte, kehrte er in sein Zimmer zurück. Allein geblieben, überlegte er sogar, wie er sich dem Gaste für eine solche wirklich beispiellose Generosität dankbar bezeigen könne. »Ich will ihm die Taschenuhr da zum Geschenk machen; es ist ja eine schöne, silberne Uhr und nicht so eine von Tombak oder von Messing. Ein bißchen verdorben ist sie ja freilich; aber er kann sie sich ja reparieren lassen; er ist noch ein junger Mann; da braucht er eine Taschenuhr, um der Braut zu gefallen. Oder nein«, fügte er nach einigem Nachdenken hinzu, »ich will sie ihm lieber testamentarisch nach meinem Tode hinterlassen, damit er mich nicht vergißt.«
    Aber unser Held befand sich auch ohne die Uhr in heiterster Stimmung. Eine solche unerwartete Erwerbung war geradezu ein Geschenk. Wirklich, dagegen war nichts zu sagen: nicht nur tote Seelen, sondern auch weggelaufene hatte er bekommen, im ganzen mehr als zweihundert Menschen! Allerdings hatte er schon vorhin, als er sich Pluschkins Dorf näherte, eine Art Ahnung gehabt, daß er da ein gutes Geschäft machen werde, aber ein so gewinnbringendes hatte er denn doch nicht erwartet. Auf dem ganzen Heimwege war er ungewöhnlich lustig; er pfiff, hielt die Faust an den Mund und blies darauf Trompete und stimmte schließlich ein so sonderbares Lied an, daß sogar Selifan hinhorchte und mit leisem Kopfschütteln sagte: »Nun hör’ mal einer an, wie der Herr singt!« Es war schon stark dämmerig, als sie sich der Stadt näherten. Schatten und Licht hatten sich vollständig miteinander gemischt, und wie es schien, hatten auch die Gegenstände selbst sich in eigentümlicher Weise verändert. Der bunte Schlagbaum hatte eine unbestimmte Farbe angenommen; der Schnurrbart des postenstehenden Soldaten schien auf der Stirn, hoch über den Augen, zu sitzen und die Nase überhaupt zu fehlen. Das Gerassel und die Sprünge der Britschke ließen erkennen, daß sie auf Pflaster gelangt war. Die Laternen waren noch nicht angezündet; nur hier und da wurde hinter den Fenstern der Häuser Licht angesteckt, und in den Seiten- und Sackgassen spielten sich jene Szenen und Gespräche ab, die um diese Tageszeit von allen Städten unzertrennlich sind, wo es viele Soldaten, Droschkenkutscher, Arbeiter und namentlich Wesen von einer besonderen Art gibt, Damen mit roten Schaltüchern und in Schuhen ohne Strümpfe, die wie Fledermäuse an den Straßenkreuzungen umherhuschen. Tschitschikow bemerkte sie nicht und beachtete nicht einmal die vielen schlanken Beamten mit Spazierstöckchen, die wahrscheinlich einen Spaziergang vor der Stadt gemacht hatten und nun nach Hause zurückkehrten. Ab und zu drangen an sein Ohr Ausrufe, die von Frauen herzurühren schienen: »Du lügst, du Trunkenbold; ich habe ihm niemals eine solche Dreistigkeit gestattet!« oder: »Hau hier nicht, du Grobian; komm mit auf die Polizei, da werde ich es dir schon zeigen!« Kurz, Reden, die auf einmal einen schwärmerischen zwanzigjährigen Jüngling wie mit kaltem Wasser begießen, wenn er bei der Heimkehr aus dem Theater eine Straße in Spanien, eine zauberhafte Nacht, eine wundervolle Frauengestalt mit einer Laute und Locken im Kopfe hat. Was hat er nicht alles für Träumereien in seinem Kopfe! Er ist bei Schiller zu Gaste gewesen, schwebt im siebenten Himmel, und nun auf einmal erschallen dicht neben ihm solche rohen Worte, und er sieht, daß er sich wieder auf der Erde befindet, und sogar auf dem Heumarkte, und sogar neben einer Schenke, und das Alltagsleben macht sich von neuem vor ihm breit.
    Endlich machte die Britschke noch einen gehörigen Sprung und fuhr wie in eine Grube in das Tor des Gasthauses hinein, und Tschitschikow wurde von Petruschka empfangen, der mit der einen Hand einen seiner Rockschöße festhielt (denn er liebte es nicht, daß die Schöße auseinandergingen) und mit der anderen seinem Herrn beim Aussteigen aus der Britschke behilflich war. Auch der Kellner kam mit einem Lichte in der Hand und mit der Serviette über der Schulter herausgelaufen. Ob sich Petruschka über die Rückkehr seines Herrn freute, blieb unklar; jedenfalls wechselte er mit Selifan einen verstohlenen Blick, und sein sonst gewöhnlich mürrisches Gesicht schien sich einigermaßen aufzuhellen.
    »Sie haben ja eine lange Spazierfahrt gemacht«, sagte der Kellner, als er ihm die Treppe hinaufleuchtete.
    »Ja«, erwiderte Tschitschikow, die Treppe hinaufsteigend. »Nun, und wie geht es dir?«
    »Gott sei Dank, gut«, versetzte der

Weitere Kostenlose Bücher