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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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einen langen Handschuh anzog und ohne Zweifel von dem brennenden Verlangen erfüllt war, über das Parkett dahinzufliegen. Da an der Seite aber tanzten vier Paare eifrig Masurka, die Absätze stampften auf den Fußboden; ein Stabskapitän von der Linie arbeitete mit Leib und Seele, mit Händen und Füßen und führte solche Pas aus, von denen ein anderer Mensch sich nicht einmal etwas hätte träumen lassen. Tschitschikow huschte an den Masurkatänzern vorbei, fast über ihre Absätze hinweg, und steuerte geradewegs nach dem Platz hin, wo die Frau Gouverneur mit ihrem Töchterchen saß. Indes nahte er sich ihnen sehr schüchtern und trippelte nicht so keck und stutzerhaft; er war sogar etwas verlegen, und in allen seinen Bewegungen lag eine gewisse Unbeholfenheit.
    Es läßt sich nicht mit Gewißheit sagen, ob wirklich bei unserem Helden das Gefühl der Liebe erwacht war; es ist sogar zweifelhaft, ob Herren von solcher Statur, d.h. solche, die nicht eigentlich dick, aber auch nicht eigentlich dünn sind, überhaupt die Befähigung zur Liebe besitzen; aber jedenfalls ging mit ihm etwas Sonderbares vor, etwas, was er sich selbst nicht erklären konnte: es schien ihm, wie er selbst nachher bekannte, als ob der ganze Ball mit all seinem Stimmengewirr und Lärm für einige Minuten weit weggerückt sei; die Geigen und Trompeten erklangen irgendwo jenseits einer Bergkette, und alles war mit einem Nebel überzogen, der dem nachlässig hingemalten Untergrunde auf einem Bilde glich. Und aus diesem nebligen, flüchtig hingeworfenen Untergrunde traten klar und bestimmt einzig und allein die feinen Umrisse der reizenden Blondine hervor: ihr ovales Gesichtchen, ihre schlanke, schlanke Gestalt, wie sie eben Schülerinnen in den ersten Monaten nach ihrer Entlassung zu haben pflegen, ihr weißes, fast einfach zu nennendes Kleidchen, das die jungen, wohlgestalteten Glieder überall leicht und anmutig umschloß, die sich in reinen Linien abzeichneten. Das ganze Persönchen glich einem kunstvoll aus Elfenbein geschnitzten Figürchen; nur sie allein schimmerte hell und weiß aus der trüben, dunklen Menge hervor.
    Offenbar pflegt es auf der Welt so zuzugehen; offenbar werden auch Menschen wie Tschitschikow für einige Minuten im Leben zu Dichtern; indes das Wort Dichter besagt wohl etwas zuviel. Wenigstens aber kam er sich ganz wie ein forscher junger Mann, ja beinahe wie ein Husar vor. Als er neben den beiden Damen einen leeren Stuhl bemerkte, nahm er sofort auf ihm Platz. Das Gespräch wollte zunächst nicht in Gang kommen, aber dann kam die Sache besser in Fluß; er bekam sogar etwas Courage, aber … Hier muß ich zu meinem großen Leidwesen anmerken, daß Männer in gesetzten Jahren, Männer, welche hohe Ämter bekleiden, in den Gesprächen mit Damen sich oft etwas schwerfällig zeigen; die Meister auf diesem Gebiete sind die Herren Leutnants, aber die Fähigkeit dauert nicht über den Hauptmannsrang hinaus. Wie sie es machen, das mag Gott wissen; es scheint, daß sie nicht sehr erstaunliche Dinge reden, aber ein junges Mädchen schüttelt sich dabei auf seinem Stuhle fortwährend vor Lachen. Ein Staatsrat aber redet Gott weiß was: entweder bringt er die Rede darauf, daß Rußland ein weit ausgedehntes Reich ist, oder er macht der Dame ein Kompliment, das gewiß scharfsinnig erdacht ist, aber nach Buchweisheit riecht; und wenn er etwas Komisches sagt, so lacht er selbst weit mehr darüber als seine Zuhörerin. Ich merke dies hier deswegen an, damit die Leser verstehen, warum die Blondine, während unser Held redete, zu gähnen anfing. Unser Held jedoch bemerkte das gar nicht, sondern erzählte all die hübschen Dinge weiter, die er schon an verschiedenen Orten bei ähnlichen Gelegenheiten vorgetragen hatte, nämlich: im Gouvernement Simbirsk bei Sofron Iwanowitsch Bespetschny, wo damals dessen Tochter Adelaida Sofronowna mit drei Schwägerinnen, Marja Gawrilowna, Alexandra Gawrilowna und Adelgeida Gawrilowna, zugegen war; bei Fjodor Fjodorowitsch Perekrojew im Gouvernement Rjasan; bei Frol Wasiljewitsch Pobjedonosny im Gouvernement Pensa und bei seinem Bruder Peter Wasiljewitsch, wo anwesend waren: seine Schwägerin Katerina Michailowna und ihre entfernten Kusinen Rosa Fjodorowna und Emilija Fjodorowna; im Gouvernement Wjatka bei Peter Warsonofjewitsch in Gegenwart der Schwester seiner Schwiegertochter Pelageja Jegorowna, sowie seiner Nichte Sofja Rostislawna und seiner beiden Stiefschwestern Sofja Alexandrowna und Maklatura

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