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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Alexandrowna.
    Allen Damen mißfiel ein solches Benehmen Tschitschikows in hohem Grade. Eine von ihnen ging absichtlich an ihm vorbei, um ihm dies zu verstehen zu geben, und streifte sogar die Blondine in sehr nachlässiger Manier mit dem dicken Wulst ihres Kleides, und der Schärpe, die um ihre Schultern flatterte, gab sie eine solche Richtung, daß dieselbe mit dem einen Ende die Blondine gerade ins Gesicht traf; und gleichzeitig kam hinter ihm von den Lippen einer Dame zusammen mit dem Veilchenduft eine recht bissige, giftige Bemerkung. Aber entweder hatte er diese Bemerkung wirklich nicht gehört, oder er stellte sich so, als ob er sie nicht gehört hätte; jedenfalls war das nicht gut, denn auf die Meinung der Damen muß man hohen Wert legen. Er bereute das auch, aber erst nachher, also zu spät.
    Auf vielen Gesichtern prägte sich ein in jeder Hinsicht berechtigter Unwille aus. Wie groß auch das Ansehen war, das Tschitschikow in der Gesellschaft genoß, und obgleich er Millionär war und in seinem Gesicht etwas Majestätisches und sogar etwas Martialisches und Heldenhaftes lag, so gibt es doch Dinge, die die Damen niemandem verzeihen, er sei, wer er wolle, und dann ist es um ihn geschehen! Es gibt Fälle, in denen die Frau, wie schwach und kraftlos auch ihr Charakter im Vergleich zu dem des Mannes sein mag, doch auf einmal fester nicht nur als der Mann, sondern als alles auf der Welt wird. Die Vernachlässigung, die Tschitschikow fast unabsichtlich den Damen hatte zuteil werden lassen, stellte zwischen ihnen sogar die Einigkeit wieder her, die anläßlich der Okkupation des Stuhles beinahe in die Brüche gegangen war. In einigen gewöhnlichen, inhaltlosen Bemerkungen, die er, ohne sich etwas dabei zu denken, gemacht hatte, fanden sie bissige Anspielungen. Um das Unglück voll zu machen, hatte einer der jungen Männer ein paar satirische Verse auf die tanzende Gesellschaft gedichtet; denn ohne solche poetischen Ergüsse geht es nun einmal bekanntlich auf einem Ball in einer Gouvernementsstadt nicht leicht ab. Als den Verfasser dieser Verse betrachtete man nun sofort Tschitschikow. Der Unwille stieg, und die Damen begannen in verschiedenen Ecken über ihn in sehr unfreundlicher Weise zu reden; dabei wurde auch die arme Blondine aufs schärfste getadelt und ihr Todesurteil unterschrieben.
    Inzwischen aber bereitete sich für unsern Helden eine höchst unangenehme Überraschung vor: während die Blondine gähnte und er ihr allerlei Anekdoten aus den verschiedensten Zeiten der Weltgeschichte erzählte und dabei sogar auf den griechischen Philosophen Diogenes zu sprechen kam, erschien aus dem anstoßenden Zimmer Nosdrew. Ob er sich aus dem Büfettraum losgerissen hatte oder ob er aus dem kleinen grünen Salon kam, wo ein kräftigeres Spiel als das gewöhnliche Whist im Gange war, und ob er diesen freiwillig verlassen hatte oder hinausgeworfen war, das mag dahingestellt bleiben; genug, er erschien fröhlich und vergnügt, Arm in Arm mit dem Staatsanwalt, den er wahrscheinlich schon eine ziemliche Zeit so herumschleppte, da der arme Staatsanwalt seine Augen unter den dichten Brauen nach allen Seiten hinwendete, wie wenn er auf ein Mittel sänne, von dieser freundschaftlichen Wanderung Arm in Arm loszukommen. Und diese war allerdings unerträglich. Nosdrew, der sich durch zwei Tassen Tee, natürlich nicht ohne Rum, Courage angetrunken hatte, log in der unverschämtesten Weise. Tschitschikow, der ihn schon von weitem erblickte, entschloß sich sogar dazu, ein Opfer zu bringen, nämlich seinen beneidenswerten Platz zu verlassen und sich möglichst schnell zu entfernen; denn diese Begegnung verhieß ihm nichts Gutes. Aber unglücklicherweise trat in diesem Augenblicke der Gouverneur zu ihm heran, drückte seine außerordentliche Freude darüber aus, Pawel Iwanowitsch gefunden zu haben, und hielt ihn fest, indem er ihn bat, Schiedsrichter zu sein in einem Streite, den er mit zwei Damen über die Frage hatte, ob die Liebe der Frauen von langer Dauer sei oder nicht; unterdessen aber hatte Nosdrew ihn bereits gesehen und kam gerade auf ihn zu.
    »Ah, der Chersoner Gutsbesitzer, der Chersoner Gutsbesitzer!« rief er herantretend und in ein gewaltiges Gelächter ausbrechend, von dem seine frischen Backen, die so rot waren wie eine Frühlingsrose, nur so zitterten. »Nun? Hast du viele Tote eingehandelt? Sie wissen ja noch nicht, Exzellenz«, schrie er, sich zum Gouverneur wendend, aus vollem Halse, »er handelt mit toten

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