Die Toten Vom Karst
Vielleicht gibt er nach, wenn wir es schlau anstellen.«
»Sie verlangen viel von mir, Proteo! Das entspricht noch immer nicht den offiziellen Beziehungen zwischen unseren Ländern.«
»Muß es denn offiziell sein? Ich verspreche Ihnen, daß ich die Finger von ihm lasse, wenn es heikel wird. Aber ich muß mit ihm sprechen. Er ist wie der zweite Schlüssel zu einem Banksafe.«
»Und wann?«
»Sobald Sie können!«
Sie drückte ihre Zigarette aus und nahm einen Schluck Rotwein. Bevor sie das Glas zurückstellte, sagte sie: »Können wir noch heute nachmittag fahren?«
»Wann?«
»Sobald Sie soweit sind.«
Er schaute auf die Uhr.
»Nach Pola sind es mindestens zwei Stunden Fahrt. Wir wissen nicht, ob Gubian da ist …«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist da. Meine Leute haben es bestätigt, aber er bleibt nicht da.«
»Was heißt das?«
»Daß Sie gar nicht weit fahren müssen! Nur nach Novigrad.«
»Wohin?« Als hätte er nicht verstanden, was sie sagte.
»Cittanova. Sie können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, mein Lieber. Wenn Sie wollen, dann können Sie gleich noch mit meiner Großmutter sprechen.«
Er fand ohnehin keine Ruhe, die Bücher zu lesen, die Marietta ihm besorgt hatte, aber das ging ihm fast zu schnell. »Ich muß sehen, ob ich mir an einem der nächsten Tagen freinehmen kann. Ich traue mich kaum weg, solange diese Schwelbrände hier nicht gelöscht sind.«
Živa Ravno war einen klitzekleinen Schritt zurückgetreten. »Wie? Zuerst reden Sie von einer kleinen Intrige und dann wollen Sie nicht weg? Wollen Sie nun mit Gubian reden oder wollen Sie nicht?«
»Ja, natürlich will ich mit ihm reden!«
»Und was würden Sie sagen, wenn sich Gubian mit Nicoletta trifft?«
Er zuckte zusammen. »Wann?«
»Heute abend. In Cittanova.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es«, sagte sie mit einem süffisanten Lächeln. »Meine Leute schlafen nicht!«
*
Bruna Saglietti raffte ihren ganzen Mut zusammen, kaufte für dreißigtausend Lire einen Strauß weißer Röschen und klingelte um halb sechs an Elianas Wohnungstür.
»Es tut mir so leid«, sagte Bruna, bevor Eliana sie begrüßen konnte, und hielt ihr die Blumen hin. »Es ist so schrecklich, der arme Giuliano!« Sie wollte sie umarmen, doch Eliana wich ihr aus.
»Komm rein«, sagte sie. »Die anderen sind vor einer halben Stunde gegangen.«
Eliana drückte die Tür hinter ihr ins Schloß und führte sie ins Wohnzimmer, wo auf dem Couchtisch noch einige halbleere Gläser und ein voller Aschenbecher standen.
»Ich stelle die Blumen ins Wasser, Vielen Dank, Bruna. Und danke, daß du zur Messe gekommen bist. Was darf ich dir anbieten?«
»Nichts, danke.« Bruna setzte sich auf die vordere Kante des Sessels.
»Wann ist die Beisetzung Ugos?« fragte Eliana, als sie zurück kam.
»Wir wissen es noch nicht. Man wollte uns heute Bescheid geben oder morgen. Sobald sie ihn freigeben. Das hängt von der Polizei ab. Ich hoffe bald.«
»Hat Ugo wieder mit dir gesprochen?«
Bruna schüttelte den Kopf. »Nein. Er blieb stur. Nicht einmal, als ich ihm sagte, daß Gubian auf ihn gewartet hat.«
»Gubian? Wer ist Gubian?«
»Dieser Fischer aus Cittanova oder Pola, der Ugos Schwester umgebracht hat. Erinnerst du dich nicht. Die Sache, die Ugo nie verwunden hat. Sie kennen sich von früher.«
Eliana nickte zustimmend. »Ein Fischer? Ein Fischer aus Istrien?«
»Ja, warum?«
»Weiß man denn, wer Ugo umgebracht hat?«
»Nein«, Bruna schüttelte heftig den Kopf. »Aber es war Gubian!«
»Weshalb bist du so sicher?«
»Weil er es mir gesagt hat, auf der Straße, als er vor dem Haus auf Ugo wartete. Er stand sehr lange dort. Und als Ugo nicht kam, sagte er mir, daß er ihn umbringen würde.«
»Und warum?«
»Weil er glaubte, daß Ugo hinter der Sache in Contovello steckt.«
Eliana hob die Augenbrauen. »Ugo? Nein! Ugo war zwar ein rücksichtsloser Egoist, der sich einen Dreck um andere kümmerte. Aber daß er vorsätzlich jemand umbringt … Nein. Ich habe Ugo nie gemocht, das weißt du, Bruna. Und das, was mit Giuliano passiert ist, ist allein Ugos Schuld. Ich hätte ihn dafür wirklich umbringen können, aber es hatte schon jemand anderes erledigt. Hast du gesagt, Gubian sei ein Fischer aus Istrien?«
»Ja, warum?«
»Bruna, ich muß dir etwas erzählen! Als Luca und Mario am Dienstag nachmittag bei mir waren, fragte ich sie, wie es passiert ist. Beide erzählten von einem Netz das hakte und, als Giuliano danach sah, sich löste
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