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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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war wie ein Kind, er brauchte Ugo. Und wir brauchten Giuliano. Auf ihn haben wir uns verlassen. Ugo war alles egal. Stur wie ein Stück Beton. Andere haben ihn nie interessiert. Niemand weiß das besser als du, Bruna!«
    »Man muß Ugo verstehen! Nach allem was er durchgemacht hat, darf sich niemand wundern, daß er komisch wurde. Ugo war kein schlechter Mensch. Er hat immer für euch gehandelt. Sag mir bitte, was draußen los war!«
    »Nichts. Es war so, wie Luca und ich es gesagt haben. Nichts sonst.« Mario goß Wein nach und trank sein Glas in einem Zug aus. Seine Augen, Wangen und Nase waren stark gerötet, und unter dem Neonlicht trat die Maserung der feinen blauen Äderchen, die sein Gesicht durchzogen, deutlich hervor. »Aber Ugo war nicht so, wie du ihn beschreibst, Bruna! Auch wenn du es noch immer nicht wahrhaben willst: er war ein Schwein. Wir hätten längst mit ihm Schluß machen sollen. Er hat andere nur ausgenutzt. Nur Nicoletta nicht. Für Nicoletta hätte er alles getan. Alles.«
    »Ugo hatte ein weiches Herz und eine rauhe Schale. Er war kein Schwein!« Bruna redete schnell und laut. Sie fühlte, wie ihr Puls raste. »Warum bist du solange mit ihm gefahren, wenn er so schrecklich gewesen sein soll! Du tust ihm unrecht! Rede nicht so über Ugo!«
    Mario starrte sie mit leerem Blick an. »Ugo war ein Schwein! Er hat Giuliano umgebracht. Ich hätte es schon früher tun müssen, dann würde Giuliano heute noch leben.« Er sank in seinen Stuhl zurück und stürzte hastig ein weiteres Glas Rotwein hinunter. Bruna sah, wie ihm zwei Tränen über die Wange liefen.
    Der Kellner schaute neugierig zu ihnen herüber. »Mario«, rief er, »hör auf zu trinken! Das ist schon der fünfte in einer Stunde! Geh nach Hause und schlaf dich aus.«
    Mario starrte auf die Wand und machte eine energielose, abwehrende Handbewegung.
    »Was meinst du damit?« fragte Bruna leise.
    Mario drehte den Kopf, schaute sie an und wiederholte seine Handbewegung, als wollte er die Wörter, die ihm entfahren waren, aus der Luft wischen. »Nichts!« Dann stand er auf und ging grußlos und schleppenden Schrittes aus der Bar, als wollte er alles hinter sich lassen.
     
    *
    An zahlreichen Häusern in Cittanova standen Gerüste. Im Zentrum des istrischen Hafenstädtchens waren viele Gebäude fein renoviert und das »Rosso romano« ihrer Fassaden frisch, während das der Nachbarhäuser wegen der salzigen Luft vom Mauerwerk abblätterte. Auch die Fassaden der wenigen gotischen Palazzi waren sauber herausgeputzt, die Ornamentik sorgfältig renoviert und Schilder mit mehrsprachigen Aufschriften angebracht, die das Ursprungsdatum der Gebäude zeigten. Drei Bars an der Piazza waren noch geöffnet und strahlten mit schummrigen Lampen ihre Tristesse in die Nacht. Um diese Zeit war kein Geschäft mehr zu machen.
    Sie hatten ihre Ausweise hinterlegt, im voraus bezahlt, nur weil sie ohne Gepäck waren, den Schlüssel bekommen, und stiegen nun über Plastikbahnen die Treppen hinauf in den letzten Stock, wo das Einzelzimmer lag, das sie nehmen mußten, weil kein anderes mehr frei war. Damir hatte es von seinem Restaurant aus für sie gebucht. Es kostete wegen des Umbaus nur 40000 Lire und hatte immerhin ein Bad dabei. Es sei das netteste Hotel in der Stadt, sagte Damir, aber sie müßten morgens schon früh mit dem Lärm der Arbeiter rechnen. Es war ihnen egal. Sie wollten heute nacht nicht mehr zurückfahren und mußten ohnehin am Samstag morgen in Triest sein. Keine Zeit zum Ausschlafen.
    Proteo ging voraus. Die Tapeten waren von den Wänden gerissen und Gipsstaub säumte den Flur. Er drehte den Schlüssel im Schloß von Zimmer 36 und suchte den Lichtschalter. Er war verlegen und aufgeregt. Sie hatten sich noch nicht einmal geküßt und dennoch beschlossen, zu zweit in einem Einzelzimmer zu übernachten. Das Bett sei breiter als ein Einzelbett, murmelte gleichgültig der schläfrige Portier mit den Schuppen auf den Schultern seines dunklen Jacketts. Jetzt stand es da, an der Wand links der Tür, einem breiten, vorhanglosen Fenster gegenüber, das wohl auch bald erneuert würde. Vielleicht einen Meter und zwanzig breit mochte es sein und hatte einen blumigen Überwurf. Wenigstens die Heizung funktionierte in diesem Zimmer. Die Luft war stickig, Proteo öffnete das Fenster.
    »Man sieht sogar ein Stückchen Meer!« sagte er. Der größte Teil der Aussicht war durch die mittelalterliche Stadtmauer verstellt, aber zwischen den Zinnen drang das Licht der

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