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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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vor dem Angriff hielten sie die Köpfe leicht gesenkt. Keine Mimik, nicht einmal ein Wimpernschlag, bewegte ihr Gesicht.
    »Die haben Sie doch schon«, sagte Nicoletta. »Sie haben meinen Vater umgebracht, wie damals seine Schwester Violetta.«
    »Sie sind so verrückt wie er! Ich habe weder mit dem einen noch mit dem anderen etwas zu tun. Aber ich weiß, daß Ihr Vater meinen Sohn und seine Familie auf dem Gewissen hat. Dafür will ich Rache, und ich werde sie bekommen!«
    »Sie lügen!«
    Er hob drohend die Hand. Nicoletta zuckte zusammen und schwieg.
    »Ich lüge nicht«, er zog seine Hand zurück. »Seien Sie vorsichtig!«
    »Mein Vater hat Ihre Familie nicht umgebracht! Und an wem wollen Sie sich überhaupt rächen?« Nicoletta ließ sich in den Stuhl zurückfallen und lachte spöttisch. »Los! Sagen Sie: an wem?«
    »Überlegen Sie selbst! Viel Auswahl gibt es nicht!«
    »Dann wagen Sie es!«
    »Wen müßte ich töten«, fragte Gubian mit leiser Stimme, »um den größtmöglichen Schmerz zu verursachen? Na? Sagen Sie es! Sie wissen es gut! Denken Sie nach!« Gubians Augen blitzten und Nicoletta spürte, wie die Wut sich in ihr aufbaute an seiner Hochmütigkeit. Aber sie schwieg.
    »Ihre nette Mutter natürlich! Dann bleiben Sie alleine zurück. Ganz die Tochter ihres Vaters. Bis zum Ende Ihrer Tage werden Sie daran denken. Und Sie sind noch sehr jung!«
    »Ich sage es Ihnen nur einmal, Gubian!« Nicoletta stand halb von ihrem Stuhl auf. »Lassen Sie meine Mutter in Ruhe! Wenn Sie auch nur daran denken, ihr ein Haar zu krümmen, werde ich Sie aufs elendigste fertigmachen! Haben Sie das begriffen? Sie hat nichts mit meinem Vater zu tun. Reicht es Ihnen eigentlich nicht, daß Sie ihn umgebracht haben, obwohl er nichts damit zu tun hatte?«
    »Sie decken Ihren Vater selbst noch nach einer solchen Tat. Sie sollten sich schämen. Der Blitz soll Sie treffen.«
    »Ich decke ihn nicht! Aber ich weiß, daß er es nicht war. Sie haben ihn umsonst umgebracht, Gubian. Er wollte Sie erledigen, aber mir zuliebe hat er es nicht getan. Sie waren zu wertvoll für’s Geschäft.« Langsam glitt Nicoletta auf ihren Stuhl zurück.
    »Ich weiß! Halten Sie mich nicht für dumm! Das Geschäft war wichtig, solange Manlio lebte. Sie haben uns lange genug erpreßt. Jetzt ist Schluß. Wer soll es gewesen sein, wenn nicht Ihr Vater? Sagen Sie mir das!«
    »Sie werden es schon noch erfahren! Sie fahren weiter! Ich rate es Ihnen im Guten. Nächste Woche rufe ich Sie an. Sobald die Lizenz da ist. Überlegen Sie es sich gut! Sonst kann ich nichts mehr für Sie tun!« Nicoletta schob den Stuhl geräuschvoll über die Steinplatten als sie aufstand. »Überschätzen Sie sich nicht! Sonst, bekommen Sie das gleiche Paket wie Ihr Sohn.«
    »Sie werden sich wundern! Sie sind ein Stück Scheiße!« brüllte Gubian und alle Köpfe drehten sich zu ihm hinüber. Nicoletta wandte sich schnell um und stieß mit Živa Ravno zusammen, die die ganze Zeit kaum einen Meter von ihnen entfernt stand und so tat, als schaute sie dem Kartenspiel am Nachbartisch zu. Nicolettas Schulter versetzte ihr einen harten Schlag auf das Nasenbein. Sie mußte sich an einer Stuhllehne festhalten, um nicht zu Boden zu gehen. Auf ihren Lippen schmeckte sie Blut. Hinter Nicoletta fiel die Tür mit einem lauten Scheppern ins Schloß.
    Živa Ravno zog ein Taschentuch aus der Manteltasche und hielt es sich vor die Nase. Dann spürte sie eine Hand auf der Schulter.
    »Setzen Sie sich, Signora. Ja, hier.«
    Sie fühlte, wie sie auf einen Stuhl gedrückt wurde.
    »Hier, nehmen Sie!«
    Sie öffnete die Augen und sah einen schwarzhaarigen Mann um die vierzig, der ihr einen Stapel Papierservietten hin hielt.
    »Danke«, sagte sie durch das Taschentuch.
    »Ein Glas Wasser!« rief der Mann. »Ich hoffe, sie ist nicht gebrochen.«
    Živa schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Keine Sorge. Es ist gleich vorbei. Wo ist die Toilette?«
    »Dort hinten links. Brauchen Sie Hilfe?«
    »Danke. Es geht schon.« Sie fühlte, wie alle im Lokal sie anstarrten. Als sie vor dem Spiegel stand und ihr Gesicht wusch, sah sie, daß das Nasenbein leicht angeschwollen war. Sie versuchte es zu kühlen und die Blutung zu stillen.
    Der Mann wartete vor der Tür auf sie und tat besorgt. »Hier, wenn Sie Hilfe brauchen«, sagte er und gab ihr seine Visitenkarte. »Über das Telefonino bin ich jederzeit erreichbar.«
    »Danke«, antwortete Živa Ravno. »Wirklich freundlich!«
    Sie lächelte und ging hinaus.
     
    Proteo

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