Die Toten Vom Karst
Moorbädern, wo du die nächsten vier Wochen verwöhnt wirst und dich erholst. Ich bringe dich hin und besuche dich an den Wochenenden. Abbano oder Saturnia in der Toskana.«
Bruna schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Nicoletta! Ich kann meine Katzen nicht im Stich lassen. Es geht nicht.«
»Ich komme jeden Tag, um sie zu füttern. Mach dir keine Sorgen.«
»Nein. Nicoletta, es geht nicht. Ich bleibe hier. Irgend jemand muß sich auch um die Beerdigung kümmern.«
»Dann komm wenigstens zu mir!«
»Und die Katzen? Wer kümmert sich um die Katzen?«
*
Ende November machten nur noch wenige Triestiner kulinarische Ausflüge nach Istrien. Lediglich drei Tische waren in dem kleinen Restaurant besetzt, dessen vorderer Teil die blanken Karststeine an den Wänden zeigte und wo schwere alte Deckenbalken sich durch den Raum zogen. Sie wählten einen Tisch im hinteren Teil, in einer Nische mit einem einzigen Tisch. Der Wirt hatte sie in Italienisch begrüßt und gleich eine Flasche Malvasia und Wasser auf den Tisch gestellt. Proteo Laurenti fragte nach Rotwein, was offenbar eine Sünde war.
»Trinken Sie die Malvasia!« sagte der Wirt streng, und seine großen, roten Ohren bewegten sich tatsächlich. »Einen besseren Wein finden Sie nicht. Es ist die beste, die Sie je getrunken haben. Unsere Roten halten da nicht mit. Istrische Malvasia. Probieren Sie. Ich tausche ihn gerne um, wenn er ihnen nicht behagt. Aber probieren Sie.«
Laurenti tat, wie ihm geheißen, und selbst wenn ihm der Wein nicht geschmeckt hätte, wäre es ihm schwer gefallen zu widersprechen. Doch der Wein war gut und hatte nichts mit den sonstigen Malvasia zu tun, die man in den Bars offen ausgeschenkt bekam.
»Sie sind Damir?« fragte Živa.
»Ja.« Er schaute sie fragend an.
Živa wechselte ins Kroatische und Laurenti ahnte nur, daß sie erklärte wer sie war. Der Wirt war höchstens ein paar Jahre älter als sie. Sein Gesicht hellte sich auf. Nach ein paar weiteren Sätzen kehrte Živa zum Italienischen zurück.
»Ich empfehle Ihnen rohen Fisch zum Anfang«, sagte Damir.
»Rohen Fisch?« Laurenti hob eine Augenbraue. »Japanisch?«
»Vergessen Sie japanisch! Damit hat das nichts zu tun.«
»Was meinst du?« fragte Proteo und verbesserte sich schnell. »Živa, was halten Sie davon?«
»Hört sich gut an!«
Damir verschwand ohne ein weiteres Wort von ihrem Tisch.
»Das war nett, Proteo! Bleiben wir dabei.« Živa hob ihr Glas.
Er schaute sie belemmert an. »Wobei?«
»Beim Du, bei was sonst? Meinst du nicht, daß es Zeit ist? Wir können uns nicht ständig umarmen oder an den Händen fassen wie frisch Verliebte und uns siezen!«
Er lachte. Und faßte ihre Hand.
Damir riß ihre Blicke auseinander, als er die rohen Scampi und eine Seezunge brachte, die sich, kalt und graubraun, farblich kaum von dem Servierbrett unterschied, auf dem sie lag.
»Sie ist sehr frisch. Noch keine vier Stunden hier«, sagte Damir. »Eßt.« Dann nahm er ein Filettiermesser und setzte einen chirurgischen Schnitt hinter den Kiemen des Tiers, rund um den Kopf. Mit seinen Fingern tastete er die Gräten von Bauch- und Rückenflossen ab, setze zwei weitere Schnitte und hob mit der Messerspitze die Fischhaut hinter dem Kopf ab. Er griff sie mit den Fingern und zog sie mit einem kurzen Ruck ab. Von der Schwanzflosse her hob er die Filets an und legte sie auf ein Silbertablett. Dann drehte er den Fisch um und wiederholte die Prozedur. Proteo schaute ihm gebannt zu. Die Filets wurden in dünne Streifen geschnitten, mit Zitrone beträufelt, gepfeffert und gesalzen und schließlich mit reichlich Olivenöl angerichtet.
»Was ist das für ein Öl?« fragte Proteo.
»Teils eures, teils unsres. In größeren Teilen kommt es von euch. Man hat hier vergessen, wie man gutes Öl macht, obwohl überall Olivenbäume stehen, schon immer. Essen Sie zuerst die Scampi! Die Seezunge soll ziehen, aber nicht zu lange, sonst wird ihr Geschmack überdeckt.«
Sie hatten den Griff ihrer Hände erst gelöst, als sie zu essen begannen. Begeistert tauschten sie sich über den Geschmack der rohen Scampi aus und dann über den der Seezunge. Und dann kamen die Datteri, die Damir empfahl. Datteri! Proteo Laurenti dachte an das Mittagsmahl der Familie Gubian in Contovello, bevor zum Dessert die Bombe serviert wurde. Die verbotenen Muscheln.
Als sie die dritte Flasche Malvasia zur Hälfte getrunken hatten, war es fast Mitternacht. Nun kamen noch einige schwarzgebrannte Magenbitter, um das
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