Die Toten Vom Karst
verständigt, verdammt?«
»Welcher Befund?«
»Dieses Ding hier!« Laurenti fuchtelte mit dem Fax. »Der Laborbericht.«
»Der war noch nicht da, als ich ging.« Sie stand wie angewurzelt da, den linken Arm noch immer im Ärmel des Mantels. »Was steht drin?«
»Nichts. Gips!«
»Und weshalb regst du dich auf?«
In diesem Moment kam Sgubin herein, und Marietta warf ihm neben einem Kußmund einen warnenden Blick zu, verdrehte die Augen und tippte sich an die Stirn.
»Hast du mir vorhin nicht gesagt, daß gestern außer den Nazis nichts vorgefallen sei?« schnauzte ihn Laurenti an, bevor er grüßen konnte.
»Warum?«
Laurenti tobte. »Spinnt ihr eigentlich. Kaum bin ich mal ein paar Stunden nicht da, fällt hier alles auseinander. Was ist das? Sgubin!« Er tappte wie wild mit dem Finger auf den Bildschirm.
Sgubin beugte sich herüber und Marietta spähte ihm über die Schulter.
»Das habe ich vergessen«, gestand Sgubin kleinlaut.
»Das? Vergessen?« Laurenti ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen. »Wie kann man so etwas vergessen?«
»Was ist das?« fragte Marietta.
»Hier steht, daß Bruna Saglietti gestern kurz nach Mitternacht die Polizei verständigte – das sind wir, meine lieben Freunde! Nur zur Erinnerung!, – weil sie sich bedroht fühlte. Die Streife verhaftete den besoffenen Griechen aus dem letzten Stock. Man hat ihn heute früh wieder freigelassen. Aber, bei der Befragung gab sie an, daß sie sich von Gubian oder diesem Mario bedroht fühlte. Fällt irgend jemandem irgend etwas dazu ein? Nein? Mir schon!« Er sprang wieder auf. »Erstens: dieser Mario ist einer der Fischer, die mit Marasi fuhren. Zuerst ist Montag nacht einer von ihnen angeblich bei einem Unfall ertrunken, nur daß bis heute seine Leiche fehlt. Dienstag nacht hat es Marasi erwischt. Und gestern nacht ruft seine Frau an, weil sie sich von diesem Mario bedroht fühlt? Na? Selbst der dümmste Polizist müßte da doch auf die Idee kommen, daß bei diesem Mario etwas komisch ist. Zweitens hat die Saglietti diesen Gubian auf der Straße als Mörder bezeichnet und drittens hat Gubian ihrer Tochter gestern damit gedroht, sie umzubringen. Und heute steht er vor dem Fischladen Nicolettas. Das könnt ihr noch nicht wissen, weil Tozzi es mir erst vor ein paar Minuten gesagt hat. Daß die Saglietti die Witwe Marasis ist, weiß hier jeder. Oder etwa nicht? Wir könnten große Fortschritte machen, aber ihr ruht euch aus, turtelt rum oder was auch immer, verflucht noch mal!«
Marietta und Sgubin fanden keine Gelegenheit, zu protestieren. Proteo Laurenti war in voller Fahrt. »Noch ist alles relativ einfach. Nicoletta wird ihren Laden kaum vor dreizehn Uhr dreißig verlassen, wenn sie ohnehin schließt. Aber sie muß beschattet werden. Gubian braucht wohl keinen eigenen Aufpasser, weil er ziemlich sicher Nicoletta hinterherlaufen wird. Ich will, daß man mich über jeden ihrer Schritte informiert. Sgubin, das machst du. Außerdem muß schleunigst eine Streife vor das Haus der Saglietti.«
»Daß ich Nicoletta überwachen soll, halte ich für keine gute Idee«, widersprach Sgubin. »Sie weiß, wer ich bin.«
»Eben deshalb, Sgubin! Genau das will ich. Sie muß wissen, daß wir ihr auf den Fersen sind. Vielleicht macht sie dann endlich einen Fehler. Sie soll dich ruhig sehen, hast du verstanden. Aber behalte auch Gubian im Auge.«
»Und was soll ich tun?« fragte Marietta.
»Du bleibst hier im Büro, bis der Fall gelöst ist.«
Marietta lachte kurz auf. »Du bist wirklich verrückt, Laurenti! Das kann dauern.«
»Dann läßt du dir eben eine Zahnbürste bringen. Davor will ich aber diesen Mario hier sehen. Und zwar innerhalb der nächsten halben Stunde. Los jetzt. Macht euch an die Arbeit.«
Marietta schaute ihn an, als wollte sie Feuer spucken, und blieb noch einen Augenblick stehen, nachdem Sgubin schon das Weite gesucht hatte. Doch dann verzog auch sie sich wortlos in ihr Büro nebenan und schloß zum ersten Mal seit sehr langem die Tür mit Wucht hinter sich.
*
Die Streife traf Mario nicht zu Hause an. Sie folgten den Anweisungen Mariettas, fuhren einmal quer durch die Stadt bis in die Via San Severo unterhalb der Universität. Sie fanden ihn schließlich bei Luca und dessen Frau am Mittagstisch. Um vierzehn Uhr zwanzig saß er vor Laurenti und fragte, weshalb man ihn nicht einmal den Nachtisch essen ließ.
Laurenti stand auf und ging im Zimmer hin und her, während der Fischer maulte. Dann ging er ohne eine
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